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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 39, Teil 3 von 3
25. bis 29. April 2009

Auf unserem weiteren Gang durch das Dorf wurden wir auch von einer älteren Frau, die Gürtel, Tücher und Taschen feil bot, zum Kauf ihrer Handarbeitsware angehalten. Aus dem hinteren vor uns etwas erhöht liegenden Teil des Ortes drangen für unsere Ohren ungewöhnliche Geräusche. Eak ging der Sache nach und ich folgte ihm zögerlich. Wir betraten eine Hütte, eine Art Lagerraum, deren Türen geöffnet waren.

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Zeremonie des zukünftigen Paares zur Beschwörung der guten Geister im Ort Meo Microwave am Morgen des 29.04.09

Dorfbewohner verließen gerade diesen Ort und luden uns aber ein, einzutreten. Vor einem länglichen Tischchen - einer Art Altar - kniete ein Paar. Neben ihnen stand ein ‚Schamane’, der die Zeremonie leitete. Dahinter kniete ein weiteres Mitglied des Dorfes. Interessant war, dass die Zeremonie nicht in Tracht, sondern in normaler Kleidung, aber in schwarzen Hosen abgehalten wurde. Eak erklärte mir anschließend, nachdem wir die Hütte wieder verlassen hatten, dass das Paar in den nächsten Tagen den Bund der Ehe eingehen werde und im Vorfeld die guten Geister des Ortes beschworen werden ob der Vermählung und eines glücklichen, erfüllten und fruchtbaren Ehelebens.

Insgesamt war mir beim Betreten der Straße des Ortes und dem Rundgang durch das Dorf aufgefallen, dass die Bewohner wenig Notiz von unserem Erscheinen nahmen. Trotz der durch seine Höhe bedingten Abgeschiedenheit des Ortes, scheinen sie es gewohnt zu sein, Besuch von Fremden zu bekommen.

Nachdem wir wieder hinauf zu unserem kleinen hochrädrigen Geländewagen gelaufen waren – er hatte nun Zeit sich abzukühlen – die Wolken aber immer noch über dem Tal lagen, entschlossen wir uns, nicht hinauf zum ganz in der Nähe liegenden Viewpoint zu fahren, sondern ich entschied mich, den zweiten Leporello eines Bergpanoramas übermorgen auf dem Rückweg nach MHS von einem anderen Viewpoint zu malen.

Nach niedriggängiger, aber hochtouriger Rückfahrt – ungefähr 4 – 500 Höhenmeter – befanden wir uns wieder auf der 108 in südlicher Richtung. Gegen 11:00 Uhr nahmen wir vorsichtshalber noch in einer Küche in Huai Pong eine Reismahlzeit mit Huhn und Gemüse zu uns, bevor es nun wirklich in die Berge ging.

In der Nähe von Mae Ja bog Eak dann links von der Hauptstraße ab in Richtung Nong Kheaw und mit Schwung ging es gleich eine Anhöhe hinauf in den dicht bestandenen Wald. Nach kurzer Fahrt hielt Eak nach kurzem Zunicken zu mir an und verfiel in ein mehre Minuten währendes Gebet. Der Weg, von Straße war nun nicht mehr die Rede, wand sich nun mit vielen Schlaglöchern und Pfützen versehen die Hügel und Berge der stark bewaldeten Landschaft hinauf.

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Im Waldgebiet der Karen auf dem 15 Kilometer langen sehr holprigen Weg nach Nong Kheaw am 29.04.09

Die Strecke erinnerte mich nun doch stark an die ‚Schlaglochpiste’ in der Nähe von Savannakhét in Laos, auf dem ich auch mit einem allradbetriebenen Fahrzeug zum Baan Huay Hin (Steinhaus) gefahren wurde. Nur gab es hier noch Steigerungen ob der Schlaglöcher, Breite des Weges und Steigungen hinauf in die Berge. Eak fuhr ‚wie der Teufel’ und ich hatte weder Angst um das Auto noch um uns. Häufig musste der Wagen im Schritttempo gefahren werden, denn der von Schlaglöchern, Baumwurzeln und großen Regenpfützen durchlöcherte Weg ließ ein schnelleres Fahren nicht zu.

An einigen Stellen soll der Wald durch Brandrodungen scheinbar für Anpflanzungen urbar gemacht werden. Es lässt auf in der nähe liegende Behausungen oder auch Dörfer schließen.

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Ein durch Brandrodung abgebrannter Berghang, der zum Anbau unterschiedlicher Gemüse und Feldfrüchte von den Anwohnern hergerichtet werden soll. Auf dem Weg nach Nong Kheaw am 29.04.09

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Der gleiche Hang: hier sieht man, dass die zukünftigen Besteller der Äcker bereits eine Hütte als Unterstand und für die Gerätschaft errichtet haben. Übrigens haben die Bauern glücklicherweise nicht den ganzen Berg bis über die Kuppe gerodet, da – wie schon häufig auf der Fahrt gesehen – starker Erosion sonst Tor und Tür geöffnet wäre.

Nach einem heftigen Anstieg erreichen wir nach nunmehr in 15 Kilometern Entfernung von der Hauptstraße auf einer inzwischen fast ebenerdig verlaufenden ‚Piste’ den hübsch gelegenen See von Nong Kheaw. Nach dem letzten heftigen Anstieg kocht der Kühler des Fahrzeugs wieder gefährlich und wir legen eine weitere Pause ein, die ich dazu nutze, den schön gelegenen See mit den sanften Hügeln im Hintergrund und einigen Rindviechern davor in meinem Tagebuch zu skizzieren.

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Der Nong Kheaw See in unmittelbarer Nähe des Dorfes, dass auch von Weißen Karen bewohnt wird. (Nong Kheaw 29.04.09)

Nach Fertigstellung der Skizze, nochmaligem Nachschüttens von Wasser in den inzwischen abgekühlten Motor, geht es zum Sicherheits-Check noch einmal zum ‚Dorfschulzen’ des Ortes. Er har glücklicherweise auch die richtigen Schlüssel – Eak ist auch ein begnadeter ‚Schrauber’ – und auch sauberes Wasser, um es für uns und unser Gefährt nachzubunkern.

Nicht weit hinter Nong Kheaw versperrt ein flacher Flusslauf, der den Weg kreuzt, die unmittelbare Weiterfahrt. Eak gibt mir zu verstehen, dass es in der Regenzeit recht schwierig ist, durch ihn hindurch zu kommen. Auf unserer Wegekarte, die ich in MHS zuvor gekauft hatte, endet auch der befahrbare Weg in Nong Kheaw. Weitere Wege sind nicht eingezeichnet. Aber Eak fährt nicht zum ersten Mal diese Strecke und sagt mir, er wäre auf die Vorbereitung meines Kommens die gleiche Strecke vor einigen Tagen schon einmal mit seinem Motorrad abgefahren.

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‚...da müssen wir jetzt durch! Und dann gleich Gas geben, denn hinter der Biegung geht es gleich den Berg steil hinauf!’

Der nächste Ort, den wir nach weiteren achtzehn beschwerlichen hindernisreichen Geländekilometern erreichen, ist Kew Camin. Auch er ist nicht mehr in der Wegekarte verzeichnet. Der Weg soll nach Eaks Aussage erst im letzten Jahr für geländegängige Fahrzeuge passierbar gemacht worden sein. Zuvor war er nur mit besonderen Motorrädern und zu Fuß oder mit dem Pferd zu erreichen.

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Im Dorf Kew Camin der befreundeten ‚Weißen Karen’ dem Nachbardorf unseres Zielortes Huai Sai. Trotz der Einfachheit der Behausungen werden fast alle Hütten mit elektrischem Strom, der durch Solareinheiten gewonnen wird, versorgt. Somit ist bedingt künstliches Licht am Abend möglich.

Mit diesem Dorf sind die Leute des Guesthouses (das heißt Daos Familie) und besonders mit dem Lehrer, freundschaftlich verbunden. Der Lehrer befindet sich gegenwärtig wie seine Schüler in den Ferien. Aber einer seiner älteren ehemaligen Schüler verwaltet den Schlüssel seiner Hütte und des Schulgebäudes. Vor der Besichtigung beider Hütten mache ich es mir im Schatten eines großen Baumes unweit des Schulhauses gemütlich, um das Gebäude in meinem Skizzen- und Tagebuch festzuhalten.

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Farbskizze des Schulgebäudes im Karen-Dorf Kew Camin am 29.04.09.

Im Anschluss besuchen Eak und ich gemeinsam mit dem ehemaligen ‚Vertrauensschüler’ das Schulhaus und das Haus des Lehrers. Im Schulhaus sind Gestühl und Tische zusammen geschoben. An der Wand hängen viele farbige Wandzeitungen und anschauliche Abbildungen, die von den Schülern im Unterricht erstellt wurden. Ein großes Regal mit vielen Büchern ziert die Wand unweit des Eingangs; die Borten biegen sich unter der Last des gebundenen Wissens. In einer Nische befindet sich ein großes Regal mit – von unten nach oben – zwei Autobatterien und diversen Kabeln – darüber mehreren Flaschen mit Chemikalien, und darüber prangt ein größeres schwarzes Ungetüm von Fernsehgerät älteren Datums. Hier ist der Lehrer nicht nur als Pädagoge, sondern auch als Physiker und Chemiker gefordert. Trotz aller Improvisation wirkt doch alles recht aufgeräumt und durchorganisiert. Auch für die Kleinsten ist gesorgt. An einer Wand mit Namen hängen viele Zahnputzbecher mit dazugehörigen Zahnbürsten. Hier wird von Grund auf gelernt.

Anschließend besuchen wir die Behausung des Lehrers.

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Hütte des Lehrers von außen des Karen-Dorfes Kew Camin. 29.04.09

Sie zeugt von großer Bescheidenheit und wird sich kaum von den Wohnhäusern der übrigen Dorfbewohner unterscheiden. Man betritt die Hütte durch eine Art Vorraum, in dem nur ein Reisstrohteppich in grüngelblichem Muster liegt. Von diesem Raum geht nach rechts ein Schlafraum ab und zur linken Seite befindet sich hinter einer kleinen Tür die Küche.

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Die Küche in der Wohnhütte des Lehrers von Kew Camin

Hinter dieser einfachen Küche befindet sich eine Toilette (‚Tiefstarter’) und eine Art Waschfass mit Wasserhahn. Es sind insgesamt vier sehr funktionsgerechte einfache Räume, die als Unterkunft des Dorflehrers dienen.

Nach einem Gang durch das Dorf und einem Telefonat, das Eak mit Dao, der Guesthousebesitzerin führt, gibt er mir zu verstehen, dass es für ihn unsinnig ist, nun noch nach MHS zurück zufahren. Er wird die Zeit meiner Anwesenheit im Nachbardorf Huai Sai in einem der Igluzelte nächtigen. Am Freitagvormittag geht es dann zurück über das Gebirge nach Mae Hong Son. Im Vorübergehen werden wir noch einmal der Solaranlagen neben einigen der Hütten gewahr.

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Eine der vielen Hütten in Kew Camin, die mittels Solarzellen mit elektrischem Strom versorgt werden.(29.04.09)

Der Weg zu unserem Zielort wird nun noch schmaler und unwegsamer. Auch diese relativ neue Strecke, die zuvor nur von zweirädrigen Gefährten, auf zwei Beinen oder von Vierbeinern beritten werden konnte, ist in keiner öffentlich zu erwerbenden Karte zu finden.

Die Steigungen sind beträchtlich. Die Sonne steht bereits recht tief - es ist schon nach fünf Uhr - als wir uns dem Dorf Huai Sai nach weiteren beschwerlichen sieben Kilometern nähern.

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Tiefer stehende Sonne und eine noch unwegsamere Wegstrecke einige Kilometer von unserem Ziel Huai Sai entfernt (29.04.09)

Die Fahrt führt uns nun wieder steiler hinab in ein kühleres Tal. Ich muss nun auch noch feststellen, dass unser geländegängiges Fahrzeug keine Klimaanlage besitzt und wir fortwährend mit offenen Fenstern fahren. Die leichte Erfrischung beim Hinabfahren in das schattige Tal tut nun gut. Hinter einer Biegung beginnen sofort die ersten Häuser und nach einigen Metern steht ein ‚Begrüßungskomitee’, bestehend aus einem freundlich lachenden Erwachsenen und einer größeren Schar von Kindern. Ich bin so verdattert, dass ich versäume, diese Szene mit dem Fotoapparat festzuhalten. Auch Eak ist sehr überrascht durch die freundliche Aufnahme. Nun führt der Weg weiter ins Tal und an den tiefsten Punkt des Dorfes, um dann wieder steil anzusteigen zum fast höchst gelegenen Platz, auf dem sich das Schulgebäude und ein Bolzplatz befinden. Überall winken uns lächelnd Leute zu. Wir werden scheinbar erwartet!

Auf dem Platz vor den lang gestreckten Schulgebäuden befindet sich auch das Gebäude des zweiten Lehrers, von dem mir Eak erzählt hat. Er weilt augenblicklich in Meo Microwave und ich kann aus diesem Grunde seine Hütte bewohnen. Wir werden unmittelbar nach unserer Ankunft von dem gegenwärtig anwesenden jüngeren Lehrer Mr. Chok Sitichok und einer aufgedrehten Schar von Kindern freudig begrüßt. Die Jüngsten turnen uns ‚eine Runde’ auf dem für das Fußballspielen aufgestellten kleinen Toren vor.

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Die Kinder, die schon seit geraumer Zeit auf unsere Ankunft warten, auf einem der kleinen Fußballtore vor dem Schulhaus unseres Zielortes Huai Sai der ‚Weißen Karen’.

Wir nehmen auf der langen Bank vor dem Gebäude des nicht anwesenden Lehrers Platz und genießen die hier oben herrschende laue Abendluft. Ich werde das Haus, an dessen Wand wir uns lehnen, heute Nacht beziehen, und Eak schlägt mit meiner Hilfe einige Augenblicke später eines der beiden intakten Igluzelte auf, in dem er nächtigen wird. Die jüngsten Dorfbewohner ziehen sich nun dezent zurück in die Hütten ihrer Eltern.

In meiner Hütte befindet sich erfreulicherweise ein großes Moskitonetz, das fast die Hälfte des großen Raumes der Hütte ausfüllt. Es könnten bequem 6 Leute unter dem Netz Platz finden. Nach dem Beziehen der Hütte, des Zeltes und dem Verstauen der Verpflegung und der Malutensilien und aller Mitbringsel sitzen Eak und ich auf der Plane vor seinem Zelt zusammen und lassen die Fahrt an uns vorbeipassieren. Er ist wirklich sehr gut gefahren und ich muss seinen Fahrkünsten und seiner netten verbindlichen Art größte Anerkennung zollen.

Chok, der Lehrer, kommt nach einiger Zeit noch einmal zu uns und lädt uns für den heutigen Abend zum Essen in die kleine Küche, die sich im Anbau des Schulhauses gegenüber befindet, ein. Es soll Huhn, Gemüse und Reis geben.

Morgen früh werde ich einmal eine erste Skizze auf Reispapier zum Einstimmen von den Gebäuden am Platz zeichnen. Heute Abend bin ich doch etwas geschafft.

Das Essen nehmen wir nach Einbruch der Dunkelheit in der lang gestreckten Küche auf dem Boden auf einem Reisstrohteppich ein. Anwesend sind der Lehrer Chok und seine Frau, Chavan, eine Gehilfin des Hauses, ein älterer Mann, der uns nicht vorgestellt wird, und wir beiden Neuankömmlinge. Für jeden steht ein großer Teller Reis bereit und zwei große Teller mit etwas undefinierbaren Hühnerteilen und ein größerer Teller mit Gemüse stehen in der Mitte des Reisstrohteppichs. Wir setzen uns alle mit untergeschlagenen Beinen und werden aufgefordert, doch bitte zuzulangen.

Durch Dao hatte ich erfahren, dass das Dorf sehr arm ist und Fleisch zum Essen eher die Ausnahme bildet. Sie hatten uns zu Ehren extra eines ihrer dünnen, sehnigen Hähne geschlachtet. Leider war er auch entsprechend zäh (Marke: ‚Gummiadler’), Reis und Gemüse waren sehr lecker. Das Essen ging recht schweigsam vonstatten. Auch wagte ich nicht zu fotografieren, deshalb die ausführliche Beschreibung. Wir bedankten uns sehr herzlich bei unseren Gastgebern und ich freue mich auf den morgigen Tag des Zeichnens und Porträtierens. Chok weiß um mein Begehren.

Eak und ich nehmen nach dem doch ausgiebigen Mal wieder auf der großen Plane vor seinem Zelt Platz, wir entzünden einige Kerzen, die mit in unserem Gepäck sind, und mit Eaks Hilfe rekonstruiere ich noch einmal unsere ereignisreiche Tour durch die Berglandschaft südlich von Mae Hong Son.

Über uns steht das Sternenbild des Großen Wagens, es ist nur ganz ungewohnt für mich als Mitteleuropäer, für mich steht er Kopf. Es ist eine sternenklare Nacht und Millionen von flackernden Sternen bilden ein riesiges Zelt über uns. Wir sind tatsächlich hier oben angekommen.

In der Nacht vor dem Einschlafen auf dem doch etwas härteren Bambus unter meinem Moskitonetz höre ich das Wispern Millionen von Grillen und anderer Insekten, die wie entferntes Gezwitscher an mein Ohr dringen. Verirrte Hähne krähen zur Probe dann schon um halb vier in der Nacht und halten Konversation mit anderen Artgenossen im Dorf und ein Tal weiter.

(auf der nächsten Seite 40 folgt die Fortsetzung des Geschehens der nächsten beiden Tage mit vielen Bildern und dem entsprechenden Text)

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