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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 39, Teil 1 von 3
25. bis 29. April 2009

Dem geneigten aber auch aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass diese Tagebuchseite eine Zeitspanne von nur fünf Tagen abdeckt. Das ist damit zu erklären, dass ich über den Zeitraum meines Aufenthaltes in Mae Hong Son und bei dem Bergvolk der weißen Karen so viel zu berichten habe, dass ich diesen Zeitabschnitt gerne anders unterteilen möchte als bisher.

Zum ersten Male fährt für mich der Bus nach Chiang Mai - meinem ‚Departure-Airport’ nach Mae Hong Son - vom gerade neu eingerichteten Busbahnhof II in Chiang Rai ab. Er ist von dem kleinen Häuschen, das ich in Chiang Rai /Sansai sip-soong (12) Panna bewohne, ca. sieben Minuten fußläufig zu erreichen. Alle Fernbusse, die V.I.P.-Busse und Busse erster Klasse fahren von hier ab (wichtig für Leute zu wissen, die demnächst einmal für ein bis vier Wochen das Häuschen am Stadtrand von Chiang Rai mieten wollen!).

Der Bus braucht gut drei Stunden für die 190 Kilometer lange Strecke durch die gebirgige Landschaft mit zwei Dschungelgebieten und mit kleinen und einem größeren Ort.

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Die Bustour von Chiang Rai nach Chiang Mai. Anschließend der Flug vom International Airport Chiang Mai nach Mae Hong Son.

Der Flug geht ab Chiang Mai am Nachmittag um 16:20 Uhr in Richtung Mae Hong Son . Bei meinem letzten Besuch in Chiang Mai habe ich beim Schreib- und Kunstgroßhandel ‚Zirieng’ Reispapier und Schriftpinsel erstanden. Inzwischen besitze ich eine ‚Membercard’ und bekomme Prozente. Jeerasak, mein netter Tuktukfahrer, bringt mich zuvor dorthin, um noch einmal große Bögen Reispapier nachzuholen. Nach einer kurzen Zwischenmahlzeit setzt er mich eine Stunde vor Abflug am Flughafen von Chiang Mai ab. Nach fünfunddreißig Minuten landet die Turboprop-Maschine auf dem kleinen Flugplatz der 10 000 Einwohner zählenden Stadt.

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Die Propellermaschine über dem bergigen Waldgebiet kurz vor Mae Hong Son. Hier ist ein Teil der fast fünfhunderttausend ‚Weißen Karen’, die in Thailand leben, zu Hause.

Vor dem Song Khram Guesthouse werde ich schon von der netten Besitzerin Dao (Napapon Chiraphan) erwartet. Ich stehe seit einigen Wochen mit ihr in Mailverbindung, um nicht nur die kleine Hütte auf dem Gelände des Guesthouses vorzubestellen, sondern auch einen geeigneten Zeitpunkt meines Kommens und dem Besuch des mit ihrer Familie befreundeten Dorfes zu verabreden. Ich beziehe nach Wunsch das kleine blaue Haus (7,-€) in der Mitte des Gartens, mit schönem Bad, kleinem ‚Arbeitstisch’ und einer Bank vor dem Haus. Die Fenster sind natürlich alle mit feinstem Mückengitter geschützt.

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Das für mich reservierte blaue Häuschen auf dem Gelände des Jong Kham Guesthouses in der Udomchaonitet Rd. In Mae Hong Son am 25.04.09.

Nach einer erfrischenden Dusche setzte ich mich zum wiederholten Male in das „Sunflower“ Restaurant am Jong Kham See, nicht nur um eine kleine Reisspeise zu mir zu nehmen, sondern auch noch einmal den erleuchteten Wat Jong Klang, der sich im Wasser spiegelt, zu skizzieren.

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Skizze vom Wat Jong Klang am Jong Khamam ersten Abend in Mae Hong Son am 25.04.09

Die darauf folgende Nacht war zwar schwül, aber mit electric-ven. war die Hitze doch einigermaßen zu ertragen. Somit habe ich fast durchgeschlafen. Am Morgen kam ich durch die fahle Beleuchtung im Zimmer kaum hoch: es war bereits einviertel vor 9:00 Uhr und immer noch recht dunkel. Gegen zehn Uhr entlud sich dann ein drei Stunden währender Regen über dem Ort. Ich nutzte die Zeit mit Eak - einem der Mitbetreiber des Guesthouses – mögliche Ziele der mit ihnen befreundeten Karen zu besprechen. Das Gebiet liegt südlich von Mae Hong Son (MHS). Wir würden, wenn am morgigen Montag das Wetter beständiger wäre, dort drei unterschiedliche Dörfer von zwei unterschiedlichen Bergvölkern besuchen. Sie liegen alle drei östlich der Hauptstraße 108 – die von MHS nach Mae Sariang und Mae Sot – und ungefähr in siebzig bis achtzig Kilometern Entfernung. ‚Alles wird vom Wetter abhängig sein, da die Gegend sehr unwegsam ist’, gibt mir Eak zu verstehen.

Der entspannende Gang durch den Ort tat mir gut. Nach dem Kauf einiger Mitbringsel, ließ ich mich auf einer Bank am See nieder und fertigte die kolorierte Skizze des Wathügels, auf dem sich der Wat Doi Kong Mu befindet, von dem man in 425 m (ü.NN) einen schönen Blick über den Ort genießen kann. Zur anderen Seite schaut man bereits über die Hügel und endlosen Wälder, wo sich die Karen-Dörfer befinden, die ich besuchen möchte.

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Der Hügel mit dem Wat des Doi Kong Mu darauf am See von Mae Hong Son am 26.04.09

Am frühen Abend findet der allabendliche Markt handwerklicher Arbeiten der Bergvölker zwischen der Khumlum Phraphat und Phadit Jongcomes Road statt. Hier kann man ebenfalls nette kleine Textilien, die verschiedene der Bergvölker produzieren, günstig erwerben. Ein letztes Nachtmahl nehme ich im Kaimook Restaurant in der Udomchaonitet Road zu mir; einen Fisch der völlig ausgenommen, entgrätet, gewürzt, in die Fischhaut ‚zurückverpflanzt’ über dem Feuer gegart wird. (‚Gefillte Fisch’ mal ganz anders zubereitet) Dazu gab’s Gemüse und Reis. Es dauerte etwas, somit hatte ich Zeit ,die gegenüber dem Restaurant befindlichen Häuser mit ‚Japan- oder gar Chinatusche’ mittels Pinsel in meinem Skizzenbuch festzuhalten.

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Blick vom Kaiwook Restaurant auf die Häuserfront gegenüber, in Mae Hong Son am 26.04.09

Es stellt sich am nächsten Morgen heraus, dass es Probleme mit der Beschaffung eines passenden Wagens gibt, da das Wetter sehr unbeständig ist und wir für die Bergtour zu den Karen ein allradbetriebenes Auto benötigen. Eak, der mich fahren will, schlägt mir eine unkompliziertere Fahrt in den Norden in den Ort Rak Thai vor. Der von Chinesen erbaute und bewohnte Ort ist – auch in touristischen Kreisen - mehr unter dem Namen Mae Aw ein Begriff. Die Einheimischen haben auf jeden Fall dem Ort diesen Namen gegeben. Ich überlege die halbe Fahrt über, was sagt mir der Name ‚Rak Thai’ ... irgendwo habe ich doch so etwas schon gehört?!

Wir bewegen uns also an diesem Morgen in nördliche Richtung. Durch die Frage nach meinem Namen von Eak werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Eak ist nicht sein richtiger Name. Fast alle Thai, die ich treffe, haben ‚nicknames’ (Spitznamen), die entweder aus drei oder vier Buchstaben bestehen. Ihm ist mein Vorname ‚Helmut’ zu unpersönlich und zu fremd. Er möchte mich gerne ‚Papa’ nennen. Ein kleiner Schauer läuft mir über den Rücken. Wirke ich wirklich schon so alt?! Er erklärt mir, dass sein Vater jetzt 60 Jahre alt wäre, wenn er nicht vor zweiundzwanzig Jahren – Eak war damals gerade neun Jahre alt – an Lungenkrebs gestorben wäre. Auf Done Ded - einer der ‚Fourthousend Islands’ in Südlaos – wurde ich schon in Mama’s – Guesthouse ‚Tondon’s Bungalows mit dem ‚ehrenwerten’ Titel ‚Papa’ versehen!

Einige Kilometer nördlich von MHS liegt hinter einer erhöhten Kurve in der Nähe von Mae Sa Nga eine weite, fast lieblich anmutende Fläche, die durch Palmenwedel bedeckte Hütten belebt und von einigen Bauern bewirtschaftet wird. Reiswirtschaft und Gemüsefelder sind auszumachen. Hier bitte ich Eak anzuhalten und von erhöhter Warte stelle ich drei erste Pinselzeichnungen auf Reispapier mit Japantusche her. Am Vorabend hatte ich diverse kleine Fläschchen mit unterschiedlicher Schwärzungsfähigkeit durch Zertrennen des ‚Tusche-Steines’ und unterschiedlicher Zugabe von Wasser abgefüllt. Diese kamen nun zum Einsatz.

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Felder bei Mae Sa Nga I am 27.04.09 / mit Japantusche und Pinsel auf Reispapier (55 X 38,5 cm)

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Felder bei Mae Sa Nga II am 27.04.09 / mit Japantusche und Pinsel auf Reispapier (55 X 38,5 cm)

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Felder und Bauern bei Mae Sa Nga III am 27.04.09 / mit Japantusche und Pinsel auf Reispapier (55 X 38,5 cm)

Nach dieser ersten Malpause besprach ich mit Eak, dass wir auf dem Weg weiter in den Norden irgendwo halten könnten, um dünne Bambusstäbe zur Herstellung von Zeichengriffeln zu schneiden. Denn wenn ich später Häuser und gerade Linien zeichnen muss, eignen sich Rohrfedern besser.

Die darauf folgende Strecke, die wir gen Norden befahren, ist sehr gebirgig und aus diesem Grunde mit recht vielen Kurven und Serpentinen versehen. Mae Hong Son liegt bereits auf drei bis vierhundert Metern Höhe. Die Berge ringsum sind zwischen achthundert und tausendsiebenhundert Meter hoch. Glücklicherweise sind die Straßen breit genug, dass sich zwei breitere Fahrzeuge begegnen können ... und diese Straßen sind noch alle asphaltiert!

Die Gebirge ringsum mit ihrer zum Teil beträchtlichen Höhe ist für die Bergvölker ein ideales Zuzugs- und auch Rückzugsgebiet, sie suchen immer den Schutz der Berge – einige, wie die Karen, auch die Talkessel, die Schutz vor Wind, aber auch vor Feinden bieten. Viele der Völker sind über den Süden Chinas oder aber aus Tibet oder Myanmar herübergewandert ... alles vorübergehende Orte der Wanderung von Norden in Süden von Südostasien. Die Völker nehmen immer ihre Kultur, die Sprache, die Essgewohnheiten, die Farben und Materialien der Kleidung und vor allen Dingen ihre Religion, ihre Riten und Weltanschauungen mit sich in die fremden Gebiete. Das Gewohnte in der Fremde, um nicht mehr ‚fremd’ zu sein, sich heimisch zu fühlen! Ich brenne inzwischen darauf, sie ein wenig kennen zu lernen!

Der Weg führt an den Pha Sua-Wasserfällen vorbei. Leider ‚tröpfeln’ die Fälle nur ein wenig vor sich hin. Doch die felsige, zerklüftete Landschaft fasziniert mich und hält mich für einige Minuten und eine flüchtige Skizze fest.

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Skizze der Pha Sua-Wasserfälle auf dem Weg ins nördlich gelegene Mae Aw am 27.04.09

Auf der Weiterfahrt fällt mir nun der Zusammenhang zu Rak Thai ein. Die Vorgängerpartei der Thaksin-Partei ‚PPP’, die sich dann nach ihrem Verbot umbenennen musste, nannte sich zuvor ‚Thai rak Thai’ (TRT) was so viel wie ‚Thai lieben Thais’ bedeutet. Also ist die Umbenennung von Mae Aw eine Liebesbezeugung an Thailand?! Die Einheimischen sagen weiterhin Mae Aw! Eak reißt mich durch kurzes heftiges Bremsen aus meinen Gedanken und weist auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf die frischgrünen Büsche: „ Bamboo!“ Und schon holt er seine Machete vom Rücksitz und verschwindet im Geäst.

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Eak schneidet dünnen Bambus zur Herstellung von Bambusrohrfedern

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Zuschnitt der Bambusrohrfedern am 27.04.09

Der Weg führt weiter hinauf in das von Chinesen bewohnte Dorf Mae Aw / Rak Thai. Nach einer Runde durch das beschauliche Dorf mit Krämerläden und Teestuben, Geschäften für Touristen und einige Läden für Textilien, fahren wir hinunter an den See. Nach einem kurzen Spaziergang werden wir beide auf dem gegenüberliegenden Ufer des Sees einer erhöhten Schutzhütte mit Bank und Tisch gewahr – ein idealer Platz, um sich auszubreiten. Hier entstehen dann auch drei Zeichnungen des gegenüberliegenden Ufers mit dem zu den Hügeln ansteigenden Dorf. Nun kommen die neuen Bambusrohrfedern zum Einsatz.

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Der chinesische Ort Mae Aw / Rak Thai - Bambusrohrfeder, Pinsel mit Japantusche auf Reispapier ( 54,5 x 40,0 cm) am 27.04.09

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Mae Aw / Rak Thai – nur mit unterschiedlichen Pinseln mit Japantusche auf Reispapier (55 x 40 cm)

Bei der zweiten Version habe ich auf die Bambusgriffel verzichtet, da sie mir für das malerische Sujet zu grafisch erschienen. Mir war beim Zeichnen der ‚Pferde’ – die mir wie wild gewordene Handfeger in die Optik galoppierten, um dann für lange Zeit innehaltend zu grasen – im Vordergrund aufgefallen, dass die Bambusstäbe doch nicht so beweglich sind wie Rohrfedern, sich deshalb auch nur bedingt für Rundungen und weiche Formen eignen. Für Porträts erscheinen sie ungeeignet, da die Feinheit der Gesichtszüge und Konturen zu stark und Modulationen scherenschnittartig geraten. Dagegen sind sie als grafisches Mittel in der Architektur und als Strichzieher gut geeignet. Bäume und Büsche bekommen einen besonderen grafischen Ausdruck. Also nicht schlecht für unterschiedlichen Einsatz... man muss wissen wo!?

Die Fahrt führt uns nach einem kurzen Mittagessen (einem mäßigen ‚Hühnersuppenessen’ mit Reis, aber recht leckerem Gemüse) in einem kleinen chinesischen Restaurant am See, zurück auf die Landstraße nach MHS, denn in die andere Richtung endet die Straße kurz vor der Grenze nach Myanmar. Es gibt keinen Grenzübergang, also muss man zwangsläufig umdrehen.

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Landkarte der ‚grünen Route’ (ca. 100 Km) mit den einzelnen Zielen am 27.04.09

Also fuhren wir wieder in südliche Richtung in den Ort Ban Luam Thai. Hier besteht die Möglichkeit einer bescheidenen Guesthouseübernachtung. Darüber hinaus gibt es aber auch Homestay-Unterkünfte. Das Dorf wird durch eng aneinander stehende Hütten beidseitig der Straße gebildet, die leicht abgeschirmt durch Zäune und Hecken verschlafen daliegen. Das Straßendorf besitzt ein, zwei ‚Krämerläden’, in denen ‚alles’ zu bekommen ist.

Unweit des Ortsausgangs in ca. einem Kilometer Entfernung liegt der Stausee Pang Ung. Mit den Bäumen drum herum fühle ich mich an heimische Gefilde und Seenlandschaften im hügligen Nordosten (Feldberger Seenlandschaft) erinnert. Ab und zu ziehen Wolkenfelder über den See. Ich skizziere zwei Arbeiten auf Reispapier. Die Malerischere - die weiter oben zwischen den Bäumen entstand - bilde ich hier ab.

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Pang Ung, der Stausee südlich von Na Pa Paek / Pinsel und etwas Bambusfeder mit Japantusche auf Reispapier (55 x 41 cm) am 27.04.09

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