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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 35, Teil 1 von 2
29. März bis 4. April 2009

Nach der verregneten Zeichnung am Donnerstag fuhr ich mit dem Fahrrad, das ich in dem in der Straße des Guesthouses liegenden Fahrradverleih entlieh, noch einmal zum Wat Phra Si Sauphet im nordwestlichen Teil der Stadt.

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Alter Stadtplan von Ayutthaya, an dem der Verlauf des der Stadt umschließenden Fluss- und Bewässerungssystems erkennbar ist.

Ein wesentlicher Grund war, die abgebrochene Zeichnung des Vortages zu Ende zu führen. Die drei Chedis als unverwechselbares Zeichen dieses Tempels bargen vor ihrer Zerstörung durch die Burmesische Armee die sterblichen Überreste der drei Könige Trailok, Boromrachathirat III und Ramathipbodi II sowie Reliquien Buddhas in ihrem Inneren.

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Die drei Chedi des Wat Phra Si Sanphet, der als Wat Phra Sisanpetch, bezogen auf seine ehemalige Buddhastatue, bezeichnet wurde. 27.03.09

Die Tempelanlage des ehemaligen königlichen Palastes ist sehr groß. Ich umlaufe die drei großen Chedi und gelange im hinteren nordwestlichen Teil in einen Bereich, dem von kaum einem westlichen Besucher Beachtung geschenkt und somit besucht wird, da die drei Chedi so spektakulärer sind. In einigem Abstand zum letzten der drei Chedi lasse ich mich vor dem sitzenden Buddha-Torso nieder und beginne zu zeichnen. Nach einiger Zeit gesellen sich zwei, wie sich später herausstellt, Malaysier, die bei einer Schweizer Bank arbeiten, hinzu und wollen von mir und dem Buddha unbedingt ein Foto machen. Mir war ganz entgangen, dass ich bedingt durch die nun wieder stärker sengende Sonne, meine Kappe mit dem etwas großen Ballon (‚rastamäßig’, aber mangels Haar ohne Füllung) aufgesetzt hatte, was nun der beiden Fotografen Aufmerksamkeit geweckt hatte. Dazu kommt, dass ich hier bisher – und das sagten mir die beiden auch in gutem Englisch – der Einzige weit und breit sei, der malen würde. Sie verabschiedeten sich sehr nett und wollten mir die Fotos per Mail zukommen lassen... ich warte bis heute darauf.

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Ayutthaya, der Buddhatorso mit einem der Chedi des Wat Phra Si Sanphet dahinter am 27.03.09

Im Anschluss daran fuhr ich suchender Weise mit dem Fahrrad den Kihong Ku Muang ab, auf der Suche nach der richtigen Brücke, um den Wat Phu Khao Thong zu erreichen. Auf Irrwegen und bei immer größerer Hitze gelangte ich zum Wat Chaiwatthanaram, der 1630 von König Prassatthong auf dem Boden, der seiner Mutter gehörte, gebaut und deshalb auch ihr von ihrem Sohne gewidmet wurde.

Wichtigstes Gebäude ist der Hauptprang im Zentrum. Er symbolisiert gleichfalls, so wie die gesamte Anlage, buddhistische Kosmologie. So wurde geglaubt, das der Mittelpunkt des Universums aus dem riesigen Berg Meru bestehe, umgeben von sieben kosmischen Ozeanen und sieben Bergen. In den vier Ecken des Universums befinden sich vier Kontinente, auf denen Menschen leben.

Es ist bewiesen, dass der Hauptprang u.a. Reliquien von Buddha und anderen hoch stehenden Persönlichkeiten beheimatete. Der Tempel gilt auch als Symbol des Sieges über die Khmer. Deshalb wurden unter anderem auch Stilmittel der Khmer-Architektur verwandt.

Die Massivität der Anlage erschlägt mich schier – aber auch die zunehmende Hitze, etwas Hunger und ein höllischer Durst treiben mich in eine der Tempelruine gegenüberliegende schattige Krua (Küche). Hier trinke ich gleich mehrere Flaschen unterschiedlicher Getränke, nehme einen großen Teller einer leckeren, nicht zu überwürzten Gemüsenudelsuppe zu mir und fertige durch die geöffnete Toreinfahrt eine schnelle Zeichnung des sich mir bietenden Ausschnittes des Wat Chaiwattanaram.

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Ein kleiner Ausschnitt des Wat Chaiwattanaram, gesehen aus der Krua (Küche) gegenüber der Tempelruine am 27.03.09

An diesem Abend habe ich dann nicht nur die Seite 34 des ‚Fernöstlichen Tagebuches’ fertig gestellt und verschickt, sondern auch eine V.I.P.-Busfahrkarte für den nächsten Abend nach Chiang Mai erstanden. Dort muss ich dann umsteigen, um eine Fahrkarte ins 200 Kilometer entfernte Chiang Rai zu lösen. An diesem Abend nahm ich ein ‚musikalisches’ Essen in einem um die Ecke des UP-Inn Guesthouses liegenden Jazzlokals ein. Ein seines Instruments und seine Stimme mächtiger einheimischer Jazzinterpret gab Evergreens zum Besten.

Am Samstagmorgen, nachdem ich meine Sachen gepackt, sie in einem Abstellraum des Guesthouses untergestellt hatte und ausgecheckt hatte, fuhr ich mit einem geliehenen Fahrrad in Richtung Wat Phu Khao Thong, vier Kilometer nordwestlich von Ayutthaya. Unklar ist für mich die Datierung dieses sehr großen Chedi. Die Fahrt führte hinaus aus der Stadt, vorüber an einem großen See. Von weitem springt schon der weiße Chedi als Landmarke ins Auge. Vor dem Chedi befindet sich ein Reiterstandbild des Königs Naresuan. Als Symbol gilt für diesen König der Hahn. In dieser Gegend soll der König mit seinem Heer die Burmesen besiegt haben. Der König gilt den Thais als leuchtendes Beispiel für Heldentum und Vaterlandsliebe (hier heißt es Mutterlandsliebe). Er rettete Ayutthaya vor der burmesischen Invasion und der Herrschaft der Burmesen über das Land.

Vor dem Reiterdenkmal befindet sich eine riesige Ansammlung hunderter, tausender von Hähnen, die dem König huldigen. Sie sind aus irgendeiner Plastelin-Masse hergestellt und sehr bunt bemalt oder mit feinen Spiegeln beklebt.

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Die ‚Hähne-Armee’ zu Ehren des Königs Naresuan auf . . . .Hahnenparade am 28.03.09
dem Weg zum Wat Phu Khao Thong

Unmittelbar neben der Zufahrt zum Reiterdenkmal und zur Weiterfahrt zum Wat Phu Khao Thong findet linker Hand eine große Zeremonie mit einer Unzahl von Mönchen und einer großen Schar Menschen statt. Die Menschen sind alle weiß gekleidet und wohnen, so wie ich später erfuhr, der Weihung eines zukünftigen Wat, das hier gebaut werden soll, bei.

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Mönche bei der Weihung des Bauplatzes eines zukünftigen Wat unweit des Reiterdenkmals des König Naresuan

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Der große Platz zur Weihung des zukünftigen Wat. Hier werden die Mönche im Anschluss speisen.

Die Verständigung mit dem jungen Thailänder, den ich am Rande der Zeremonie angesprochen hatte, war etwas schwierig und unverständlich.

Von dem feierlichen Ort führte anschließend mein Weg zum direkt hinter dem Reiterdenkmal befindlichen Wat Phu Khao Thong (oder auch Wat Phukhaothong), das wie ein riesiger Berg mit unglaublicher Spitze in die Landschaft ragt.

Das Zeichnen ließ sich etwas schwierig bewerkstelligen, da ich nicht genug Abstand zu dem Bauwerk bekam. Ich musste zwei Mal ansetzen, und eine doch scheinbar entfernte, reduzierte Version zu erarbeiten, da ich sonst nicht alles auf eine Seite des Skizzenbuches bekommen hätte.

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Wat Phu Khao Thong am 28.03.09

Dokumente besagen, dass dieser Chedi zur Erinnerung an den Sieg dem König ‚Naresuan dem Großen’ über die Burmesen gewidmet wurde. Aus diesem Grunde wurde die Basis des Chedi in burmesischem Stil gestaltet, um den Sieg der Thais über die Burmesen zu symbolisieren.

Nach einem Essen ‚beim Vietnamesen’ gegenüber des Wat Maha That und einigen Besorgungen in der Stadt, fahre ich gegen halb vier, als die größte Hitze sich gelegt und es sich etwas abgekühlt hat, noch einmal zum Wat Ratchaburana, gegenüber dem Wat Maha That gelegen. Um diese Zeit herrscht hier schon eine himmlische Ruhe, denn fast alle Touristen haben die Tempel verlassen, sind auf dem Weg zurück in ihre Unterkünfte oder auf dem Wege nach Bangkok. Hier finde ich nun Muße, eine detaillierte Zeichnung und auch Fotos architektonischer Details zu machen. Auch bekomme ich hier im Schatten eines weiteren Bauwerks besseren Abstand als bei der Zeichnung des Wat Pha Khao Thong am Vormittag. Die Sonne steht günstig und ich erlebe Details bei tief stehender orangefarbener Sonneneinstrahlung.

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Wat Ratchaburana am 28.03.09

Im Anschluss an die Zeichnung entstehen diverse Detailaufnahmen. Ich bin nun ganz allein auf dem Ruinengelände und genieße die Stille und die Intensität des Lichts der untergehenden Sonne.

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Details auf dem Gelände des Wat Ratcheburana am 28.03.09

Am Abend zwei Stunden vor der geplanten Abfahrt gen Chiang Mai bin ich dann noch einmal im ‚Streetlamp’ um die Ecke’ gewesen, um eine letzte Mahlzeit in Ayutthaya zu mir zu nehmen. Am Nebentisch sitzen Leute mittleren Alters aus München und unterhalten sich über Buchungsprobleme in Siem Reap. Auch ist unklar, wie sie sich dort fortbewegen können. Ich verweise auf mein Tagebuch und auf Thum Seng, den netten Motorradsamlorfahrer in Siem Reap.

Der Bus nach Chiang Mai soll um 20:30 Uhr dicht vor dem Guesthouse starten, so hatte mir die Betreiberin noch am Morgen gesagt. Um viertel vor acht packe ich meinen Rucksack mit frisch gewaschener Kleidung noch einmal neu, wasche mich und will mir gerade frische Kleidung überziehen, da wird um kurz vor acht: „Chiang Mai... Chiang Mai“ durch das Haus gerufen. Ich ‚...es ist doch noch eine halbe Stunde Zeit...’, der Shuttlebus steht abfahrbereit mit sieben Leuten überladen vor dem Guesthouse und hupt. Ich springe in die Klamotten, schnüre das Ränzlein und stürme in den Eingangsbereich. Das Pickup fährt ab, nachdem ich als Letzter aufgesprungen bin. Nach zwei Kilometern, ich hebe noch einmal meine Umhängetasche an... es ist wahr!! Das Notebook befindet sich nicht in der Tasche! Ich hatte es aus Sicherheitsgründen in einem Schließfach des Guesthouses deponiert. Zurück geht nicht mehr, da die Zeit schon zu fortgeschritten scheint, außerdem kann man zu dem rasenden Pickupfahrer im separaten Führerhaus keinen Kontakt aufnehmen. Muss ich also nachher wieder zurückfahren und noch eine Nacht bleiben, bis am morgigen Sonntagabend der nächste Bus fährt. Um halb zehn Uhr abends sitze ich wieder in der Musikkneipe und trinke ein letztes Bier. Glücklicherweise war mein Zimmer im Guesthouse, was ich ja am Morgen um 11:00 Uhr verlassen musste, noch nicht wieder belegt. Ich erspare mir hier den Teil des Aus- und wieder Einpackens am nächsten Tage und berichte eher vom guten Frühstück und dem schönen leider wieder heißer werdenden Wetter. Für nun wirklich den (!) finalen Tag wollte ich beim Fahrradverleih nach weiteren lohnenden Zielen in Ayutthaya fragen.

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