Fernöstliches Tagebuch
von Helmut Rieländer
Seite 34, Teil 2 von 2
22. bis 28. März 2009
Am Montag ging’s dann endlich zur herbeigesehnten Ausstellung des letzten Visums zum Thailändischen Konsulat in der Nähe des Hotels. Eine größere Menschenansammlung – ich bin zehn Minuten verspätet eingetroffen, da mein Chum Boo-Fahrer mich versetzt hat, und ich für Ersatz sorgen musste – lässt eine längere Wartezeit vermuten. Ich bekomme die Nummer 24 und warte eine Dreiviertelstunde, um dann zu erfahren – inzwischen hatte ich in der Nachbarschaft auf Geheiß des Konsulatsangestellten eine Kopie meines Reisepasses erstellen lassen – dass mein Antrag schnell bearbeitet würde und ich am morgigen Dienstag um 14:00 Uhr wiederkommen solle! Meine Einwände der Dringlichkeit und meines Wartens am Wochenende machten wenig Eindruck und ich ‚grollte’ von dannen... zurück zum Hotel. Am Abend erfuhr ich von Richard, einem Schotten, der wissenschaftlich vor Ort am Problem der Malaria und des Dengue-Fiebers arbeitet, ihm sei es am Vormittag auf dem Konsulat ebenso ergangen. Ich traf ihn am Abend im „Café Chez Boune“, eine Pizza essend. Er scheint hier bekannt und begann gleich mit mir ein Gespräch. Er arbeitet als Mediziner (Mitte Sechzig) schon seit Jahren an der „Malaria und Dengue-Fieber-Front“ im Grenzgebiet von Kambodscha zu Thailand und Laos. Da er des Deutschen nicht mächtig ist, werde ich ihm morgen im Internet helfen, Ersatzteile für seine Gerätschaften deutscher Herkunft (Bohrmaschine und Solaranlage) zu bekommen. Den Rest des Tages habe ich mich mit dem Schreiben der neuen Seite 34 im Tagebuch beschäftigt. Ich habe mich nun doch entschlossen – wo ich doch schon im Süden bin und auch im Süden von Thailand sein werde – am Dienstag bzw. Mittwoch - der historisch bedeutsamen Stätte Ayutthaya - nördlich von Bangkok - einen Besuch abzustatten. Zu einem späteren Zeitpunkt würde ich wohl nicht mehr weiter in den Süden fahren, somit ist die Gelegenheit günstig und der ‚Umweg’ nicht sehr groß. Am Dienstagvormittag nach einigen Besorgungen und dem optimistischen Auschecken im Hotel, treffe ich noch einmal Richard im ‚Chez Boune’ – übrigens ein nettes Lokal mit freundlicher Bedienung und erstaunlich leckeren Pizzas – um zu erfahren, dass er die Nummern der Gerätschaften nicht zur Hand hat und wir uns per Mail verständigen werden, wenn er wieder an der kambodschanischen Grenze ist und ich wieder in Chiang Rai weile. Wir unterhalten uns über seine Erfahrungen und Einschätzungen der sehr unterschiedlichen Ethnien der Thai, Lao, Khmer und Burmesen und ihre kriegerischen Auseinandersetzungen in den letzten Jahrhunderten. Auch verrät er mir das wirkungsvollste Mittel gegen Malaria, dass in China und in der Zwischenzeit auch in Vietnam produziert wird. Es wird aus einer Art Absinth-Pflanze gewonnen. Um ein Uhr ist er am Mekong im schwimmenden Restaurant verabredet. Ich nehme noch eine kleine Pizza zu mir, bevor ich meinen im Hotel untergestellten Rucksack abhole und mich zum Konsulat vom netten Personal des ‚Hoongthip’ verabschiede. Sehr schnell erhalte ich mein Visum – es ist erstaunlicher Weise für drei Monate, bis zum 22.Juni ausgestellt... und ich muss keinen einzigen Baht bezahlen – und lasse mich vom Chum Boo zum Busbahnhof von Savannakhét in Richtung Mukdahan/Thailand fahren. Hier dauert es auch nicht sehr lange, bis sich der Bus Richtung Brücke über den Mekong, der gleichzeitig die Grenze zwischen Laos und Thailand darstellt, in Bewegung setzt.
Bis dahin ging nun mal alles relativ schnell und glatt. Auf der Brücke und auf der thailändischen Seite nun wieder einstündige Grenzformalitäten mit Ausfüllen unterschiedlicher Formulare, die dann teilweise auch im Pass festgetackert werden.
Hier kommt meine Federmappe mit den Stiften zum Einsatz, da viele nichts zum Schreiben dabei haben und Stifte für fast hundert Personen an der Grenze Mangelware sind. Das war dann auch das letzte Mal, dass ich meine Federmappe bewusst wahrgenommen habe ... aber dazu später.
Es zog sich alles hin und gegen vier Uhr erreichten wir dann den Busbahnhof von Mukdahan. Der Anschlussbus in Richtung Ayutthaya geht zehn Minuten später. Die folgende Fahrt führt entlang der Strecke von Mukdahan nach Korat - genauer Nakhon Ratchasima – 256 km nordöstlich von Bangkok und 357 km von Mukdahan gelegen. Der Unterschied zwischen dem doch spärlich mit Werbung und Straßenschildern versehenen Straßenbild von Laos zu der nun mich ‚anschreienden’ Schilder- und Farbenvielfalt Thailands ist gravierend. Überall große Schriftzüge, riesige Billboards wie in den Staaten und eine Unzahl von Hinweisschildern, die mich fast an die angestammte Heimat erinnern lassen. Der Bus schaukelt die fast vierhundert Kilometer lange Strecke durch nun herunterprasselnden Regen in über sechs Stunden nach Korat.
Korat, als zweitgrößte Stadt Thailands, ist die größte Stadt des Nordostens und ein kommerzielles Zentrum mit ca. 450 000 Einwohnern. Als ich von meiner ersten Mekongtour hier auf dem Busbahnhof zwei Zwischenstationen auf der Fahrt nach und von Phimai machte, sah ich nur den Busbahnhof und die Umgebung. Nun beschloss ich hier, vor dem Hintergrund der fortgeschrittenen Zeit – es ist bereits viertel nach zehn Uhr abends - hier in einem Hotel zu übernachten. Ein Tuktuk-Fahrer bringt mich zum nahe gelegenen Sabai Hotel. Hier stelle ich mit Schrecken fest, dass sich meine Federmappe nicht mehr in meiner Umhängetasche befindet. Sie muss mir im Bus heraus gefallen sein. Darin befinden sich alle besonderen Stifte, besonders vermalbare und dicke, weiche, die für ausdrucksstarke Schwärzungen notwendig sind. An der Rezeption begegnet mir der Generalmanager des Hotels. Der erklärt sich sofort bereit, mit mir zum Busbahnhof zu fahren, um die Mappe zu suchen. Der Bus ist schon am Stadtrand in einer riesigen Garage untergestellt. Aber hier werden wir nicht fündig! Um zwölf im Hotel zurück bekomme ich sogar ein Essen... seit der kleinen Pizza um 13:00 Uhr die erste Mahlzeit wieder. Der Manager Kwanchai Punthavee leistet mir dabei Gesellschaft und wir reden bis um halb zwei... ein sehr freundlicher Mensch und außerordentlich hilfsbereit. Das Hotel ist recht komfortabel und für europäische Verhältnisse günstig. Am nächsten Morgen beim Frühstück finde ich mich mit lauter thailändischen Geschäftsleuten und Tagungsteilnehmern am Bufett stehend wieder. Das Sabai Hotel, sechs Minuten TukTuk-Fahrt vom Busbahnhof, ist empfehlenswert:
Sabai Hotel Tel.: 0-4429-5999 Fax. 0-4429-5122 / www.sabaihotelkorat.com
Aber das verlorene Etui ist über Nacht nicht wieder aufgetaucht .Die Busmannschaft kann sich zwar an mich erinnern, hat aber nichts gefunden. Es besteht noch die Möglichkeit, dass das Etui doch bei den Grenzformalitäten und dem Andrang ‚verloren’ ging?! Eigentlich halte ich immer alle Utensilien meiner Tasche zusammen und hüte sie wie... .
Auch am nächsten Tag keine Spur von den Stiften und so mache ich mich auf den Weg nach Ayutthaya, fast am Rande von Bangkok.
Karte von der Fahrt von Mukdahan nach Ayutthaya am 24./25.03.09
Ich erspare dem geneigten Leser die Irrungen und Wirrungen der Fahrt, da immer wieder Missverständnisse sprachlicher Art zu falschen Informationen führen. Somit erreiche ich erst um kurz vor fünfzehn Uhr das UP Inn – Guesthouse, was mir wärmstens von meiner Reiseliteratur,(nun wieder Krack, R. u. Vater, T. a.a.O. Seite 326) empfohlen wurde. Hier ruhe ich erst einmal aus, bevor ich gegen Abend ein leckeres thailändisches Mahl mit unterschiedlichem Gemüse im Guesthouse zu mir nehme. Ich plane für den nächsten Tag den historisch und architektonisch – neben Sokhothai - mit am wichtigsten einzustufenden Ort Thailands, mit dem Fahrrad zu erkunden.
Ayutthaya war in den Jahren 1350 bis 1767 die Hauptstadt Siams. Fremde aus Europa, die in diesen Jahren die Stadt besuchten, sprachen immer von der glanzvollsten und beeindruckendsten Stadt Asiens. 33 Könige verschiedener Dynastien hatten in Ayutthaya geherrscht, bis es 1767 von den Burmesen fast dem Erdboden gleich gemacht wurde.
Ayutthaya heute: Blick auf die Anlage des Wat Phra Si Sanphet nach dem wolkenbruchartigen Gewitter am 26.03.09
Vor Ayutthaya war Sukhothai die Königstadt Siams. Mitte des 14. Jahrhunderts waren die Könige von Ayutthaya immer mächtiger geworden. Im Jahre 1376 annektierten sie Sukhothai , und 1431 eroberten sie Angkor in Kambodscha. Ayutthaya wuchs zu einer der gößten und wohlhabendsten Städte Asiens heran. Handelsbeziehungen zu Europa wurden geknüpft. 1511 wurde als Erste die portugiesische Botschaft eingerichtet. Es folgten 1605 die Niederländer, 1612 die Engländer, 1621 die Dänen und 1662 die Franzosen.
Die Burmesen griffen schließlich das Königreich der Thai im 18. Jahrhundert an: sie nahmen als erstes die südlichen Städte des Reiches ein. Im Jahre 1766 standen sie vor Ayutthaya, der Hauptstadt, die sich tapfer der Eindringlinge zu erwehren wusste. 1867 fiel nach erbittertem Kampfe die Stadt unter dem Druck des feindlichen Heeres. Die eindringenden Burmesen zerstörten alles, dessen sie habhaft werden konnten. Tempel, religiöse Kunstwerke und wichtige Dokumente wurden Opfer der burmesischen Armee. Ist Sukhothai der Ursprung einer nationalen Identität im Bewusstsein der Thai, so gehört die Zerstörung Ayutthayas zu den ganz dunklen Seiten nationaler Identität und hat sich, so sagt man, als Trauma in die nationale Psyche eingebrannt.
Das heutige Ayutthaya macht, eher einen verschlafenen Eindruck, wären da nicht Tag für Tag die Touristen, die wie Heuschrecken aus Bangkok, über die historischen Stätte, die seit 1991 in der Liste der UNESCO als schützenswertes Weltkulturerbe eingetragen ist und verteilt über die ganze Stadt liegen, herfallen. Der Ort liegt am Zusammenfluss der Flüsse Chao Phraya, Lopburi und Pa Sak und ist - ähnlich einer Insel – gänzlich von Wasser umgeben. Die Lage zwischen den Flüssen war ursprünglich von großer strategischer Bedeutung. Heute dient den 60 000 Einwohnern und ‚ihren Gästen’ dieses Ambiente zu einem allabendlichen stimmungsvollen Hintergrund verschiedenster Aktivitäten.
Ich fahre an besagtem Donnerstag in der Früh – um kurz nach acht – in Richtung des in westlicher Richtung liegenden Phra Ram Park. An der nordöstlichen Ecke des Parkes befindet sich Wat Maha That. Diesem Tempel möchte ich meinen ersten Besuch abstatten und auch Zeichnungen erstellen. Meine darstellerischen Möglichkeiten sind nun eingeschränkt, aber vielleicht ist das auch ein neuer Weg?! Schon in Korat hatte ich das mit dem Generalmanager des Sabai Hotels problematisiert.
Ich setzte mich auf einige Trümmer des Tempels und wollte zu zeichnen beginnen, als ich von einem Wachmann ‚zurückgepfiffen’ werde. Das Sitzen auch auf den Tempelresten ist nicht gestattet. Ich zeige ihm anhand meines Skizzenbuches, was ich vorhabe und darf weiterarbeiten.
Skizze mit Japantusche vom südöstlichen Teil des Wat Maha That im Phram Ram Park von Ayutthaya am 26.03.09
Wat Maha That wurde auf Geheiß des Königs Ramesuan im Jahre 1384 gebaut.
„Als der Tempel 1956 restauriert wurde, fand man eine Vielzahl unschätzbarer Gegenstände, Reliquien Buddhas und goldene Buddhafiguren.“ (aus: Krack, R. a.a.O. Seite 323 ff)
Auf dem Gelände des Wat Maha That entstehen noch zwei weitere Skizzen in ähnlicher Technik. Die Sonne strahlt zwischenzeitlich wieder unbarmherzig auf die historische Stätte, und ich suche Orte zum Zeichnen, die das Arbeiten erträglich machen.
Blick auf die Anlage des Wat Maha That von Osten am 26.03.
Beim Gang über die recht große Tempelanlage fallen mir Überreste von Ornamenten, die sich im Putz der Chedi gehalten haben auf. Sie sind von filigraner Ornamentik und zeugen von entwickelter Technik und gestalterischer Vielfalt. Sie erinnern mich an Khmerstilmittel und Ornamente, aber auch an Stilmittel, wie sie an Indischen Tempeln ihren Ausdruck finden.
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Die letzte Skizze entsteht von der nördlichen Seite in südöstlicher Richtung. Hier setzte ich nur andeutungsweise etwas Aquarellfarbe hinzu.
Blick auf Wat Maha That von Südosten am 16.03.
Anschließend suche ich zur Stärkung ein kleines Restaurant gegenüber des Einganges der Tempelanlage mit Thai -und Vietnamesischer Karte auf. Im Anschluss an das pikante Essen, bestelle ich mir ein Lemongetränk, von dem ich noch lange träumen werde... es war wunderbar!
Der Weg nach dem Essen führte mich nun um die Stadt herum zum Wat Phra Si Sanphet. Der Wat war der wichtigste Tempel auf dem Gelände des königlichen Palastes. Im Jahre 1500 wurde eine 16 Meter hohe, stehende Buddhafigur gegossen und mit 170 Kilogramm Gold überzogen. Als das Burmesische Heer 1767 Ayutthaya eroberte und plünderte, versuchten sie, alles was sie mitnehmen konnten, in den Westen zu ‚entführen’. Das Gold der stehenden Buddhafigur versuchten sie durch Feuer von seinem Untergrund zu lösen. Dabei steckten sie den ganzen Tempel mit seinen charakteristischen drei Türmen in Brand (Bild siehe auch acht Bilder zuvor).
Ich setzte mich an eine günstige Stelle, um alle drei Türme Im Blick zu haben. Kaum hatte ich die ersten Umrisse der Türme in meinem Tage- und Skizzenbuch festgehalten, fielen erste Tropfen auf das Papier. Seit geraumer Zeit hatte ich aufziehende dunkle Gewitterwolken und fern grollenden Donner ignoriert. Nun begann es gewaltig zu pladdern und ich flüchtete mich unter einen nahen Baum. Von hier konnte ich das Schauspiel des im Regen verschwindenden Wat Phra Si Sanphet beobachten.
Prasselnder Gewitterregen verhüllt den Wat Phra Si Sanphet am 26.03.
Der Regen wurde dann so heftig, dass ich auch unter dem Baum bis auf die Haut nass wurde. Nach einer halben Stunde ließ der Wolkenbruch nach, und nach weiteren zehn Minuten stach die Sonne und die Kleidung begann wieder langsam zu trocknen. Trotzdem machte ich mich auf den Weg zurück ins Guesthouse. Auf der Fahrt überraschten mich zwei weitere starke Regenschauer, sodass ich die Fahrt mehrfach unterbrechen musste. Völlig durchgeweicht und verdreckt erreichte ich am späteren Nachmittag meine Bleibe.
Am Abend, nach weiteren starken Gewittern und Wolkenbrüchen... für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich!!...brach nicht nur die Telefonverbindung sondern auch noch das Internet zusammen, sodass ich weder skypen, noch meine Post erledigen konnte.
Ich hoffe, dass am morgigen ‚Sendetag’ des ‚Fernöstlichen Tagebuches’ alles wieder in Ordnung ist, und man diese Zeilen dann lesen kann. Wie es mir weiter in Ayutthaya ergangen ist und wie ich dann zurückgereist bin nach Chiang Rai, werde ich dann auf der nächsten ‚Seite’ am kommenden Samstag berichten.