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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 32, Teil 1 von 2
8
. bis 14. März 2009

Durch einen Baum, der in der letzten Nacht bei starkem Sturm auf die Fernleitung gefallen ist und die elektrischen Leitungen dadurch hier in der Umgebung von Champassak unterbrochen wurden, konnte ich die Übermittlung der Daten erst mit über einen halben Tag Verzögerung bewerkstelligen. Ich hoffe trotzdem noch auf rechtzeitige Erscheinung der 32.Seite im Netz!

Nach ‚scheinbar’ überstandenen ‚Gallenblasenbeschwerden’ machte ich mich am Sonntag (8.03.) zum wiederholten Male auf den Weg zum Wat Phou, südlich des Ortes Champassak gelegen. Beim Befahren der Hauptstraße durch die Ortschaft passierte ich diverse neuere Wats. Auf den Grundstücken sind Mauerreste und That-(Stupa-) Reste, möglicherweise aus der Vor- Angkor -Zeit – der schon vor einer Woche erwähnten und häufig zitierten Hauptstadt Chenla des Khmer-Reiches - zu sehen.

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Reste der alten Stadt? ... auf dem Grundstück eines neuen Wat in Champassak

Wiederum lassen auch einzelne Mauerreste und die Art der Ziegel sogar auf Älteres schließen; wenn man davon ausgeht, dass vor den Khmer die von der zentralvietnamesischen Küste stammenden Cham hier an diesen Orten gesiedelt und ein Heiligtum errichtet haben, so kommt diesen Orten eine besondere Bedeutung zu. Gilt es doch gerade hier archäologische Schätze zu sichern und zu ‚heben’. Vieles gilt es noch zu erforschen und zu entdecken, allein es fehlt an Geld und Facharbeitskräften. Vor allem Ersteres wird auch sehr z. B. von den hier arbeitenden Archäologen (Patrizia Zolese – für das Team der Italiener im vietnamesischen My Son zuständig - ihr Team in Champassak und die französischen hier federführenden Archäologen vor Ort) vermisst , um die doch große Menge von Grabungen und Rekonstruktionen bewerkstelligen zu können. So findet man überall gerade einmal notdürftig abgedecktes zu rettendes Mauerwerk ... und es ist scheinbar kein Geld vorhanden, es zu sichern.

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Notdürftig ‚abgedeckte’ Mauerreste vor einem Wat in Champassak

Der Weg führt mich weiter auf der mit Schlaglöchern zerfurchten Straße Richtung Wat Phou. Die Witterung ist drückend, aber nicht so heiß, wie in den letzten Tagen, denn eine dichtere Wolkendecke verhindert die unbarmherzige Sonneneinstrahlung der letzten Tage. Das wird mir auf dem im vorderen Bereich des baumlosen Geländes des Wat Phou die Gelegenheit bieten, ein bis zwei Skizzen zu erstellen.

Der erste Teil der Wat-Anlage wurde bereits auf der Tagebuchseite der letzten Woche beschrieben. Nun stehe ich wieder vor der Anlage mit der Prozessionsstraße im Vordergrund, links und rechts mit den ehemaligen Wasserbecken für rituelle Waschungen und im Hintergrund links der sog. Frauenpalast und rechts der Männerpalast. Geradeaus geht es die Treppe hinauf zum 90 Meter höher gelegenen Heiligtum.

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Der Weg über die Prozessionsstraße hinauf – links zum Frauenpalast und rechts zum Männerpalast – geradeaus geht es die Stufen 90 Meter hinauf zum Heiligtum.

Ich beschritt noch einmal die 280 Meter lange mit einigen wenigen Phallusstelen gesäumte Prozessionsstraße und setzte mich neben die rechte Palme, um eine schnelle Skizze auf dem handgeschöpften Papier, was mir Axel zur Verfügung gestellt hatte, zu erstellen. Es ist eine flüchtige Darstellung des Männerpalastes rechter Hand.

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Flüchtige Skizze des Männerpalasts auf dem Gelände des Wat Phou am 8.3.09

Nachdem diese Skizze entstanden war, das Wetter sich immer noch nicht zu der drückenden, sengenden Hitze der Vortage entschließen konnte, und das Gelände – wohl vor dem Hintergrund des Sonntages noch nicht so bevölkert war – entschied ich, eine noch detailliertere Zeichnung zu erstellen. Da die Arbeit doch länger währte, waren Zaungäste und Leute, die mir fast als Bestandteil am liebsten in die Zeichnung gesprungen wären, bei dem Bekanntheitsgrad des Wat, nicht zu verhindern.

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Zeichnung vom Männerpalast des Wat Phou am 8.3.09.

Ich habe nun den Männerpalast nicht aus chauvinistischen Gründen erwählt, wie vielleicht der eine Leser oder die andere Leserin erhoffen mag, sondern weil er der als besser restauriert erscheinende und somit am häufigsten zitiert werdende, apostrophiert werden kann.

Es ist schon erstaunlich, was Besucher dieser Stätten alles anstellen, um ihren Besuch an dieser Stelle photographisch zu dokumentieren. In der Zeit meiner Anwesenheit und der Zeit des Zeichnens war zu beobachten, dass junge Menschen möglicherweise verschiedener asiatischer Nationalität, sich in den unterschiedlichsten und auch ‚verrücktesten’ Posen vor diesem alt-ehrwürdigen Bauwerk gegenseitig ablichteten. Dies war mir nicht zum ersten Male vor entsprechenden Gebäuden aufgefallen, sondern geschah von Angkor, über HCMC (Saigon) bis zu den Cham Bauten in Vietnam, Hue und Hanoi ... immer war das ‚Hier-gewesen-sein’ wichtig, die Authentizität des Ortes im Zusammenspiel mit der eigenen abgelichteten Person (Personengruppe). Das Gebäude spielt nur eine untergeordnete Rolle, und bietet bestenfalls die Staffage - ‚gute Location’ - für die Eigendarstellung. Ich erspare mir eine Fotografie an dieser Stelle von dem Erlebten zu bringen.

Der Weg führte mich - nach Fertigstellung der Zeichnung vom ‚Männerpalast’ - vorbei an den beidseitig des Weges liegenden Galerien mit weiteren phallusartigen Stelen, dem Nandi-Pavillon linker Hand, dem Heiligtum auf dem Berge liegend entgegen.

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Phallusstelen gesäumter Weg zur Treppe, die hinauf zum Heiligtum von Wat Phou führt.

Ich befand mich nun dicht vor der zweiten Ebene. Eine steile ‚Treppe’ aus Laterit führt weiter hinauf. Sie war wohl zu früheren Zeiten der sehr steile Pilgerweg der weit Angereisten, um zu der erhofften Andacht und Huldigung zu gelangen. Heute dient auch dieser Ort der Andacht und der Darreichung von Mitgebrachtem (Gestecke auch zum Teil mit Geld geschmückt, mit Räucherstäbchen etc.). Anschließend geht es neben der Treppe eine Holztreppe weiter hinauf. Das Paar nach der Andacht vor den Stufen scheint sich uneinig, ob der linke- oder rechte Weg zu nehmen ist.

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Andacht vor der Laterit-Treppe, die weiter hinauf zur zweiten Ebene und zum Heiligtum von Wat Phou führte.

Auf der zweiten Ebene angelangt, passiere ich eine Buddhastatue rechter Hand und bewege mich weiter berg- und treppauf. Hier flacht der treppenartige Aufbau etwas ab, um dann nach 80 bis 100 Metern wieder jäh anzusteigen.

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Die etwas flachere Passage der Treppe hinauf zum Heiligtum

Die Treppe aus Lateritgestein war einst von sechs kleinen Pavillons gesäumt, die heute nicht mehr zu sehen sind. Nur spärliche Grundmauern lassen ihre Ausmaße vermuten. Ihre jeweilige Funktion ist heute noch nicht restlich geklärt. Die Treppenstufen weisen alle Bohrungen auf, die den Transport und das Einsetzen und die Ausrichtung der Quader erleichterten. Der Wuchs der Bäume und der dabei entstehenden Kräfte haben im Laufe der Jahrhunderte die Treppenstufen anzgehoben.

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Die Treppe mit den Bohrlöchern und der durch den Baumbewuchs hervorgerufenen Verschiebungen.

Der letzte Teil der Treppe, die immer wieder von Absätzen und flacheren Stücken unterbrochen wird, weist besonders hohe Stufen auf, bevor die dritte Ebene der Anlage auf 90 Metern Höhe über dem Fuß erreicht wird.

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Die hohen Treppenstufen hinauf zum Plateau des Hauptheiligtums auf der dritten Ebene

Wat Phou gehört seiner Bedeutung entsprechend zu einer der archäologischen Hauptattraktionen von Laos. Verstärkt hat sich diese Attraktivität - auch in touristischer Hinsicht - seitdem die UNESCO das Gelände und den Tempel zum Weltkulturerbe erklärt und in die Liste aufgenommen hat.

Auf der dritten Ebene angelangt, befindet sich geradeaus das leider in Mitleidenschaft gezogene Gebäude des Hauptheiligtums, dass ich anschließend besuchte.

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Das Hauptheiligtum auf dem Tempelberg von Wat Phou.

Zuvor nahm ich doch, nach dem schweißtreibenden Aufstieg bei zunehmender Hitze gegen Mittag, eine an einem Stand zum Verkauf stehende kühle Flasche Wasser zu mir, setzte mich auf einen Mauerrest am Rande der Treppe in den Schatten eines großen Baumes, und fertige den sich mir bietenden phantastischen Blick hinunter an den Fuß der Treppe und den unteren Teil der Tempelanlage.

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Blick hinunter zum Fuß des Tempelberges von Wat Phou: ganz unten im Vordergrund liegt die Treppe hinauf; sie ist aber durch Baumwipfel verdeckt. Dahinter liegt von links nach rechts, der ‚Männerpalast’, in der Mitte die Prozessionsstraße mit den Phallusstelen und die Galerien und rechts der ‚Frauenpalast’. Weiter im Hintergrund links und rechts der Prozessionsstraße in der Mitte liegen die beiden fast ausgetrockneten Wasserbecken, die rituellen Waschungen vorbehalten waren. Hinter dem gerade beschriebenen liegt das große Wasserbecken (Barai) für Wasserspiele etc.. Rechts hinter dem Barai (großes flaches Pyramiddach) befindet sich das Museum und in der Mitte die Straße, die zum Ort und dann weiter nach links führt. Über diese Straße erreicht man dann in acht Kilometern Champassak. Zeichnung vom 8.3.09.

Nachdem ich die Zeichnung gefertigt und mich dabei etwas ausgeruht hatte, begab ich mich hinauf zum Heiligtum und den weiteren Orten, die sich auf dem Plateau des Heiligtums befinden.

„Durch ein Tor gelangt man zum eigentlichen Hauptheiligtum. Dieses war ursprünglich Shiva gewidmet. Der hintere, aus Ziegeln bestehende Teil, stammt aus dem 6. Jahrhundert. Durch die Rückwand wurde Wasser aus der heiligen Quelle, die wiederum direkt mit dem Lingam auf dem Gipfel des Berges (Phou Kao in 1497 Metern Höhe, der Tagebuchschreiber) verbunden sein soll, auf den im Innern der Kapelle befindlichen Lingam geleitet. Von dort floss das Wasser zu einem Becken, in dem es sich sammelte und Gläubigen zu heiligen Waschungen diente. Die vorderen Teile des Gebäudes sind jüngeren Datums, etwa aus dem 8.-9. Jahrhundert.

Dieser Teil des Komplexes weist fantastische Reliefs auf, Apsaras, einen tanzenden Vishnu, Indra auf einem dreiköpfigen Elefanten reitend. Über dem Giebel des Nord-Tores sieht man Vishnu auf Garuda, einem vogelähnlichen Fabelwesen. Der Südgiebel wird von Krishna beim Zerreißen der Schlange Kalyana geziert, ein häufiges Motiv der Khmer-Kunst. Weitere Darstellungen von Shiva, Vishnu, Kala und anderen Göttern bestechen durch ihre sehr detaillierte Ausführung. Erst lange nach der Khmer-Zeit wurde dieses Heiligtum in ein buddhistisches verwandelt. Heute beherrschen deshalb Buddhafiguren das Innere des Hauptheiligtums. (aus: Schultze, M. /Laos / a.a.O. Seite 362)

An diesem bereits fortgeschrittenen Tage bewegten sich viele Gläubige auf der Anlage und gingen im Heiligtum ihrer Andacht nach. Aus diesem Grund existieren vom Innern keine Fotos, da ich die Menschen in ihrer Andacht und in ihrem Handeln nicht stören wollte. Weiter links hinter dem Gebäude des Hauptheiligtums befinden sich die Überreste einer sog. Bibliothek. Noch in etwas größerer Entfernung weiterhin nach links folgt eine weitere Stelle, die auf Andacht und rituelle Handlungen schließen lässt: es ist in einem großen horizontal verlaufenden Felsspalt der heiligen Quelle, die vom Lingam auf dem Gipfel des Berges gespeist sein soll. Weiter nach rechts hinter dem Hauptheiligtum ragt eine gewaltige Felswand in den Himmel, an deren rechter Seite ein hinduistischer Trimurit zu finden ist. Der Trimurit vereinigt die drei wichtigsten Götter Vishnu, Shiva und Brahma (von rechts nach links).

An diese Felswand schließen drei weitere Felsen an. Es sind die Elefanten-, der Krokodil- und der Naga-Stein.

„ In der Zeit als Khmer-Heiligtum erlebte Wat Phou jedes Jahr im Mai eine große Prozession. Diese, so sagt die Überlieferung, war mit Menschenopfern verbunden. Ein Freiwilliger ließ sein Leben in eben jenem Krokodilstein. Sein Blut wurde anschließend dem Naga-Stein geopfert. Menschenopfer sind heute natürlich nicht mehr üblich. Schon in früheren Zeiten trat an die Stelle eines Menschen ein Büffel. Dabei ist es lange geblieben, denn jedes Jahr im Juni wurde ein Büffel dem Erdgeist von Champasak, Tiao Thangkham, geopfert.“ (aus: Schultze, M. / a.a.O. Seite 362)

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Der Elefantenstein über dem Plateau des Hauptheiligtums von Wat Phou

Von dem Elefantenstein, dem letzten Opferstein der drei Orte ehemaliger ritueller Handlungen, führte ein recht steiler, rutschiger Pfad wieder hinunter zum Hauptheiligtum. Hier führte mein Weg noch einmal an einer viel später errichteten Buddhastatue vorüber wieder die Treppe hinab zum Fuße des Heiligtums.

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Buddhastatue rechts neben dem Hauptheiligtum auf dem Plateau, das weiterhin buddhistischer Gläubigen zu Andachtshandlungen dient.

Nachdem ich die Treppe, die 90 Meter wieder an den Fuß des Heiligtums führt, bergab ‚bezwungen’ hatte, führte mein Weg wiederum in eine der Garküchen vor den Toren der Watanlage und dem Museumsgebäude. Ich fühlte mich trotz zunehmender Hitze immer noch prächtig, und somit beschloss ich eine Nudelsuppe - ohne Fett und Geschmacksverstärker, nur mit Gemüse angereichert - ‚stäbelnd’ und löffelnd, am morgigen Montag, die Fahrt nach Siphandone (den 4000 Inseln) und den Mekongwasserfällen zu wagen. Mein Gesundheitszustand, was die vermeintliche ‚Gallenblasenreizung’ anging, hatte sich soweit verändert, dass keine Beschwerden mehr zu vermerken waren. Somit bestellte ich mit Axels und Alloms - er ist die rechte Hand des Chefs – Hilfe einen Sitzplatz in einem Bus von Ban Mouong ins 150 Kilometer entfernte Ban Nakassang, direkt an einem der Mekongarme, und gleichzeitig Fährort für die Inseln Don Det und Don Khon (nicht zu verwechseln mit der etwas weiter nördlich liegenden viel größeren Insel Don Khong).

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