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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 28, Teil 1 von 2
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8. bis 14. Februar 2009

Am Samstag (7.2.) habe ich dann einen ruhigen Tag am Strand und teilweise am Notebook verbracht, da es mit der Übermittlung der Daten für die neue Seite 27 in die Heimat dann doch nicht so glatt verlief, wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Verbindung hier mittels WiFi ist nicht so gut, und ich muss vieles dann doch im Restaurant des Resorts erledigen, da die Anlage nicht stark genug ist, dass sie in die einzelnen Häuser des Resorts reicht - obwohl ich schon ein neues Zimmer direkt neben dem Restaurant bezogen habe.

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Sonnenaufgang am Meer im Dengion Resort in Ninh Chu bei Phan Rang - Thap Cham. 9.02.09

Für den nächsten Morgen bot mir die Managerin an, mich mit in den Ort nach Thap Cham zu nehmen, damit ich mir dort einen der Cham Türme anschauen kann. Der Tag mit Erholung am Strand von Ninh Chu tat mir gut, konnte ich mich doch nicht nur auf die weitere Fahrt in den Norden nach Dã Nãng, Hôi An, My So, Hue und Ha Noi vorbereiten, sondern mir auch noch einiges über die Cham und deren Bauwerke aneignen.

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Am Strand vom Dengion Resort am 9.02.09

Die Cham, wahrscheinlich aus dem indonesischen Raum in diesen Bereich Südostasiens zugewandert, waren berühmt berüchtigte Seefahrer und Piraten in der Zeit zwischen dem 4. und 10. Jahrhundert (u.Z.), als Händler, Kaufleute und Korsaren fast den gesamten Gewürz- und Seidenhandel zwischen Java, China, Indien und Arabien abwickelten und beherrschten. Sie hatten an der heutigen Ostküste des Südchinesischen Meeres im heutigen Vietnam wichtige Handelsniederlassungen und Häfen. Einen damals wichtigen Hafen werde ich in der nächsten Woche besuchen: Hôi An in der Nähe des heutigen Da Nangs. Der Reichtum der Cham galt noch im 13. Jahrhundert als so groß, dass die Mongolen Kublai Khans Vietnam nur als ‚Aufmarschgebiet’ zu nutzen gedachten, um das sagenhafte Gold- und Gewürzland der streitbaren Cham zu erobern.

‚Im Gegensatz zum chinesisch-konfuzianischen Vietnam basierte die soziale Ordnung der Cham auf hinduistischem Gottkönigtum, elitären Kastensystemen und Sklaverei. Die Herrschenden sahen sich als Inkarnation Shivas und verfügten über unumschränkte weltliche wie sakrale Macht; daran änderte sich auch nichts, als ab dem 9. Jahrhundert der Buddhismus an Einfluss gewann und zeitweise sogar zur Staatsreligion erklärt wurde. Über Lebensweise und religiöse Kulte des einfachen Volkes (Animismus, Erd- und Muttergöttinnen?) ist bezeichnenderweise so gut wie nichts bekannt.’ (Bühler, W.-E... a.a.o. Seite 200)

Die folgenden Jahrhunderte waren geprägt durch Beutezüge, Strafexpeditionen und Eroberungskriege gegen die Khmer in Angkor und in heftigen Auseinandersetzungen mit den Vietnamesen. Die Cham waren gezwungen, ihre Hauptstadt 300 km südlicher nach Vijaya (heute Qui Nhon) zu verlegen. Im Jahre 1471 war der Verfall des Reiches der Cham nach dem Verlust eben dieser Hauptstadt nicht mehr aufzuhalten. Das ehemals gefestigte Königreich zerfiel in tributpflichtige Fürstentümer und Vasallenstaaten und verkam vor dem Hintergrund der vietnamesischen Siedler zur Bedeutungslosigkeit. Heute sollen noch ca. 95 000 Nachfahren der Cham in ärmlichen Verhältnissen im von der Küste abgewandten Hinterland leben.

Geblieben sind die kulturhistorisch wichtigen und architektonisch interessanten Cham Türme, von denen ich einen dann am Sonntag in der unmittelbaren Nähe von Phap Cham aufsuchte. Als ich mit der jungen Dame am Lenker ihres Mopeds in Thap Cham fast am Ortsausgang um die Ecke bog, war ich doch sprachlos, von der beeindruckenden Größe und Präsenz des roten Ziegelbauwerkes auf dem Hügel. Diese Bauwerke gelten als die markantesten historischen Gebäude Zentralvietnams. Mit wenigen Ausnahmen (Mÿ Son bei Da Nang) stehen sie weithin sichtbar auf Anhöhen und Hügeln. Sie unterscheiden sich somit sehr von der vietnamesischen Architektur, die bestrebt war, sich im Einklang mit der Natur zu bewegen und sich harmonisch in die jeweilige Umgebung einzufügen. Der vergleichsweise monumentale Baustil der Cham gleicht sich der Natur in keiner Weise an, sondern stellt sich in Kontrast zu den von der Natur gegebenen Umwelt. Dieser Baustil zeugt gleichfalls von der elitären Haltung, die in der gesamten Kultur zum Ausdruck kommt: Tempel und Heiligtümer die von der Ideologie des Gotteskönigtums geprägt, nur den Herrschern und ihren Priestern Zutritt in die Gebäude – auch die Gedanklichen – gewährte.

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Der Cham Turm Po Klongarai am Rande von Thap Cham am 8.02.09

Der Cham Turm, den ich zuerst von unten malte und später anschaute, hat eine Höhe von über dreißig Metern. Als ich mich zum Malen auf einem Mäuerchen der Anlage vor dem Turm am Fuße des Hügels niedergelassen hatte, gesellten sich nach einiger Zeit zwei junge Damen im Alter von siebzehn Jahren hinzu und begannen mit mir ein Gespräch. Heraus kam, dass sie gern Brief- oder Mailkontakt in englischer Sprache wollten. Es war nicht das erste Mal in Vietnam, dass junge Damen an mich mit ähnlichem Anliegen herantraten. Nach einiger Zeit hatte ich wieder vier bis sechs Zuschauer beim Malen, die ihre Englischkenntnisse anwenden wollten. Mein Trachten war es, das Bild fertig zu bekommen, da die nette Managerin des Resorts mich gegen halb zwei wieder abholen wollte. So verabschiedete ich mich bald und stieg den Hügel zum eigentlichen Turm und Heiligtum hinauf. Der Hügel ist mit verschiedenen Büschen, jungen Bäumen und Kakteen bestanden. Oben angekommen, war nun nicht nur die wahre Größe dieses kunstvoll verzierten Turmes und der Nebengebäude auszumachen, sondern es bot sich auch ein grandioser Blick über die Ebene bis zum Meer und den nächsten Höhenzügen.

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Blick vom Hügel des Cham Turmes Po Klongarai über die Ebene um Thap Cham Richtung Südchinesisches Meer

Die Cham Türme, die noch existieren, erreichen eine Höhe von bis zu 35 Metern. Der so genannte Kalan – das Turmheiligtum als Symbol des Himmels – erhebt sich nach indischer Lehre auf einem quadratischen Sockel. Der Eingang des Heiligtums liegt nach Osten, zur aufgehenden Sonne. Die Verzierungen, Friese, Schmuckbänder, aber auch Pfeiler, Säulen und Giebel sind in Sandstein gearbeitet. Figürliche Darstellungen von Musikern, Tänzerinnen und Göttern verzieren den quadratischen Baukörper, über dem sich das nach oben zu verjüngende, pyramidenförmige Dach erhebt. Sie erinnern mich in ihrer Art ein wenig an die Prasats der Khmer-Kultur von Angkor in Kambodscha oder auch von der Tempelanlage von Phimai in Thailand. Der Hauptturm ist im Unterschied zu den erwähnten Parallelen mit einer Art ornamenthaften ,Verästelung’ - ähnlich eines Baumes - versehen. Sie sind an den Ecken geometrisch angeordnet und verleihen dem Turm etwas Baumartiges.

Bis zum 7. Jahrhundert waren die ersten Formen der Cham Türme aus Holz und Lehm errichtet. Später setzte sich dann verstärkt die Ziegelbauweise durch und ist an den heutigen Bauwerken noch sehr gut nach zu vollziehen. Aber unklar ist, wie diese fugenlosen Ziegeln gehalten haben. Hier kommt mir wieder das Beispiel Sukhothai in den Sinn. Damals fragte ich meine Leserschaft nach dem Bindemittel – der Mörtelverbindung... oder einem anderen Bindemittel. Damals bekam ich auch von meinen befreundeten Architekten, Bautechnikern und Kulturhistorikern keine Antwort! Auch hier scheint mir die Sache unklar. Im ‚Handbuch.... Vietnam’ las ich:

„ ... ursprüngliche Vermutungen in Richtung pflanzlicher Bindemittel und Harze (wie sie häufig bei älteren vietnamesischen Holzpagoden nachweisbar sind) scheinen sich nach neuen Analysen nicht zu bewahrheiten.“

Das architektonische Grundgrippe der Anlage ist wohl so über die Jahrhunderte erhalten geblieben, nur die Verzierungen, Ausschmückungen und Verkleidungen (die Friese, Reliefs und Rundplastiken aus Sandstein) waren bedingt durch religiöse und somit ideologische Einflüsse einem ständigen Wandel unterworfen. So lassen sich diese Formen in verschiedene Epochen und Kunststile unterteilen.

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Das Heiligtum und der Turm vom Tempel Po Klongarai auf dem Hügel bei Thap Cham am 08.09.09

Dem Innern und Aufbau dieser Türme ist eines gemein:

„ Das fensterlose Innere des Kalan ist dunkel und völlig schmucklos, alle Aufmerksamkeit soll sich auf das Kultbild des Gottes oder der Göttin (oder stellvertretend auf lingam oder yoni) konzentrieren. Die blutigen Stieropfer – einige Forscher vermuten wie bei den Kali-Kulten in Indien auch ursprünglich Menschenopfer – entwickelten sich im Laufe der Zeit zu rituellen Waschungen.

Von den anderen Bauten eines Cham-Heiligtums sind, falls überhaupt, meist nur noch Ruinen erhalten. Das Mandapa ist eine große freistehende Säulenhalle mit einem flachen Balkendach, es dient zur Vorbereitung der Kulte, hier fanden Tempeltänze statt usf.. Außer in My Son, (das ich gerne von Hôi An aus besuchen möchte d.V.) kann man die Überreste einer solchen Halle gut in Nha Trang (Po Nagar) studieren. Die Bibliothek, ein kleines rechteckiges Gebäude mit zwei Räumen und einem schweren gewölbten Dach, bewahrte das Tempelgerät auf.“
(aus: Bühler, W.-E., Kothmann, H./ a.a.O Seite 199 ff)

Die letztgenannte sog. Bibliothek, ist auch auf dem Tempelberg bei Thap Cham auszumachen, hier auf dieser Seite oben auf dem vierten Bild rechts neben dem großen Turm links.

Nachdem ich die zweite Zeichnung fertig gestellt und das Bauwerk sowie die Landschaft eingehend studiert hatte, lief ich wieder den Tempelberg hinab, um dann per Telefon die nette Minh Phuong des Resort-Hotels herbei zu rufen, um mit ihr wieder zurück zum Meer ins Resort zu fahren. Nach einem Gang durch die Ausstellungs- und Verkaufsräume am Fuße des Turmes holte mich Minh dann ab, nicht um mich zum Resort zurück zu nehmen, sondern um mich ihren Freunden am Rande der Stadt vorzustellen und eine ‚Kleinigkeit’ – wie sie sagte – zu uns zu nehmen. Wir wurden bereits bei einem vietnamesischen Ingwer-Tee, den ich auch seit einigen Tagen im Resort bestelle, und warmem Wasser erwartet. Sitzen war in einer Art Wohnraum mit Stereoanlage und auf einer großen Decke in der Mitte des Raumes zur Straße angesagt. Hier haben wir dann auch den Tee und später die kleine Süßigkeit - Kokosmilch, grüne Bohnen und Sago, leicht gesüßt... und das mehrere Portionen, zubereitet von der Kollegin Minhs – zu uns genommen. Sie schauten sich meine Bilder im Tagebuch an und hatten viele Fragen zu meiner Reise. Der kleine Sohn kam hinzu und wie immer in den Familien, in denen ich bisher war, wurde ein Erinnerungsfoto gemeinsam auf der Decke sitzend gemacht. Ich bat mir dann noch vor der Rückfahrt ein Foto vor dem Hause mit allen Akteuren aus.

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Zu Gast bei den Freunden von Minh Phuong (in der Mitte), der Managerin des Dengion Resorts am Rande von Thap Cham.

Wieder im Dengion Resort angekommen, werde ich auf der Terrasse des Restaurants von einem Herrn recht jovial an einen der Tische gebeten. Man sitzt bei Shrimps, Muscheln und Wodka und lässt es sich gut gehen: Victor und sein Freund und Geschäftspartner aus Moskau und sein Chauffeur und Sekretär. Victor ist im Zuge eines Joint-Venture-Abkommens zwischen Russland und der Soz. Rep. Vietnam Manager (General Director) der in der Nähe gelegenen Saline. Natürlich muss dann erst einmal auf das zufällige Zusammentreffen der Europäer im Fernen Osten angestoßen werden... und das Essen zieht sich hin. Gegen Abend will mich Victor mit Hilfe seines nüchternen vietnamesischen Sekretärs herumfahren und vor allen Dingen die Saline zeigen. Die Saline liegt einige Kilometer weiter nordöstlich in einem riesigen Binnensee vom Meer getrennt. Neben einigen kleinen Parzellisten, die schon vor Victor da waren, sieht man nur die unglaubliche Weite des Sees, aus dem das Salz gewonnen und gefördert wird.

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Die Fahnen über dem Bürogebäude der Salt Compani. Die Gerätschaft auf dem Fuhrpark der Salzförderung aus chinesischer und russischer Produktion.

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Der Salinen See unweit von Ninh Chu in der Ninh Thuan Province 8.09.09

Am nächsten Tage kam dann noch einmal Leben ‚in die Bude’ – besser in das Resort – als am Nachmittag Erwin mit einer Busladung deutscher Touristen von Rotel -Tours die weitläufige Anlage des Resorts belebte. Abends saßen wir dann alle zusammen: Minh, Erwin, sein vietnamesischer Kontaktmann und Übersetzer und ich. Ein interessanter Abend um Religion und Gesellschaft.

Am nächsten Tage (10.02.) hieß es dann auch für mich Abschied nehmen von dem sehr sympatischen Personal und ihrer netten, engagierten Managerin und dem schön gelegenen Resort direkt am Südchinesischen Meer. Mein Nachtzug ging um 18:30 Uhr von Phan Rang – Thap Cham nach Da Nang, fast sechshundert Kilometer weiter nördlich.

Bilder vom Dengion Resort in Ninh Chu bei Thap Cham:

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Bedeckter Himmel am Strand des Dengion Resorts 7.02.09. Blick auf die vietnamesische Ostsee.

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Blick auf das Gelände des Resorts

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Die nette ‚Mannschaft’ des Restaurants des Dengion Resorts

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Das Restaurant auf dem Gelände Des Dengion Resorts 10.02.09.

Adresse: Dengion Resort
Ninh Chu, PR – TC, Ninh Thuân
Tel: 0084 (0)68 – 874 223 - Fax: 0084 (0)68 – 874 431
dengionresortvn@gmail.com
Web: www.dengion-resort.com

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