Fernöstliches Tagebuch
von Helmut Rieländer
Seite 27, Teil 1 von 2
01. bis 07. Februar 2009
Der Weg durch das recht warme, ja schwüle Saigon führte mich durch die Pham Ngu Lao In westliche Richtung vorüber am Markt, linker Hand und dann am Kreisverkehr leicht nach links in den Nguyén Trâi, der geradewegs in den 5. District führt, nach Cho Lon, der China Town of Saigon. Je länger ich laufe, desto stärker verändert sich das Straßenbild. Die Beschriftungen der Häuser sind nun zunehmend in chinesischer Schrift ausgeführt. Einige Male bin ich mir unsicher, ob ich mich auf dem rechten Weg befinde, so frage ich einzelne Menschen, denen ich bei meiner Wanderung begegne. Sie verstehen mich zunehmend weniger. So laufe ich nach meiner schlechten Karte, die nur Ausschnitte Saigons wiedergibt, auf gut Glück weiter bis die Karte die Straßennamen wieder ‚nennt’. Ich befinde mich jetzt in der Nähe einer größeren Grünanlage mit einer für uns typisch-christlichen Kirche der Nga Sau, mit spitzen Türmen am gegenüberliegenden Ende. Ein Stück ‚Heimat’ im ‚Fremden’. Ich lasse mich auf einer Art Liegestuhl nieder und bestelle an dem in der Nähe befindlichen Teestand einen warmen Tee... das Richtige bei der Schwüle. Nach einigen Minuten des Schauens halte ich die Szene des Platzes in meinem Skizzenbuch fest.
Der Park nahe der Kirche Nga Sau an der An Duong Vuong in Cho Lon der China Town von Saigon/ Ho Chi Minh City am 31. Jan. 09.
Die ganze Szene, der entspannende Park und der nicht entfernten Kirche mutet doch recht südfranzösisch an. Auch in den beiden folgenden Tagen bemerke ich immer wieder ‚Anflüge’ südfranzösischen Flairs bei dem Durchlaufen und auch Durchfahren dieser recht quirligen Millionenstadt. Der lang gestreckte Park scheint ein beliebter Treffpunkt jüngerer Saigoner der China Town zu sein. Es wende ich mich wieder der Nguyen Trai zu, die immer weiter westwärts aus der Stadt hinaus Richtung Mekongdelta führt. Nach einigen weiteren Straßenzügen, ich will schon wieder fast umkehren, da ich nun schon weit über zweieinhalb Stunden auf den Beinen bin, liegt plötzlich rechter Hand die rote Pagode Chua Thien Hau vor mir. Viele Gläubige strömen an diesem späteren Nachmittag in diesen chinesischen Tempel, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der Kanton Gemeinde gegründet wurde.
Die Chua Thien Hau Pagode in Cho Lon der ‚China Town’ von H chi Minh City / Saigon am 31.Jan. 09.
Er ist der barmherzigen Göttin Thien Hau Thanh Mau, der Patronin der Fischer und Seeleute, geweiht. Beim Betreten des Tempels steigt mir sofort der sehr eindringliche Geruch brennender Räucherstäbchen in die Nase. An der Decke und in der Öffnung des Innenhofes hängen hunderte von glimmenden Räucherspiralen, die wie überdimensionale Bettfederspiralen aussehen. Sie sind typisch für chinesische Pagoden, ebenso wie die großen Gefäße, die mit Sand gefüllt, dem Einstecken der von den Gemeindemitgliedern mitgebrachten glühenden Raucherstäbchenbündeln als Halterung dienen.
Im Innern der Chua Thien Hau Pagode in Cho Lon der China Town von Saigon. 31.01.09
Die Bronzegefäße ebenso wie die bronzene Glocke, die erklingt wenn eine Spende dargebracht wird, wurden im Jahre 1830 gegossen. Der Ofen dient dem symbolischen Verbrennen von Papiergeld, mit dem man Angehörige im Jenseits unterstützt. An einem langen Tresen stehen Gemeindemitglieder und schreiben die Spenden und die Bespendeten auf entsprechend verschieden farbigem Papier, nehmen die Spenden in unterschiedlicher Form entgegen – die Spender begeben sich nun mit der ‚Quittung’ zum Tiegel, in dem das Feuer brennt und übergeben das eben beschriebene Papier dem Feuer. Nun mischt sich die weihrauchgeschwängerte Tempelluft mit dem Geruch verbrannten Papiers.
Bemerkenswert ist die weitere symbolträchtige und fast erzählende Gestaltung des Tempels. Ein Schiffsmodell erinnert an die ersten Kaufleute aus dem chinesischen Kanton, die unter dem Schutz Von Thien Hau – der Göttin der Seefahrer – nach Cho Lon, damals bei Saigon, segelten. Erst viel später wurde Cho Lon zu Saigon eingemeindet. Auf dem Hauptaltar findet man drei Statuen der Göttin, flankiert von ihren Gehilfen, der Göttin der Fruchtbarkeit und der Gattin des Herrschers des Südens.
Besonders ins Auge springen die farbenprächtigen Dekorationen mit Motiven chinesischer Legenden. Diese Keramikfiguren, die die Öffnung des Innenhofes zieren, fügen sich zu Episoden und zu ganzen Geschichten.
Die Öffnungen des Innenhofes der Chua Thien Hau Pagode in Cho Lon in Saigon 31.01.09
Ich setze mich auf eine Bank an der Wand der Pagode und beobachte die eifrigen Gemeindemitglieder, die augenscheinlich gerade von ihren Tet-Feierlichkeiten vom Lande in die Stadt heimgekehrt sind und nun ihren Pflichten als Gläubige nachkommen.
Die Fahrt zurück in die Innenstadt machte ich mit einem Motorrad als Beifahrer.
Motorrad- und Mopedfahrer am Morgen meiner Abfahrt vom Taxi aus auf einer wenig befahrenen Straße Saigons am 3.2.09.
Der Strom der Tausende, Zehntausende von Motorrad- und Mopedfahrern hat nun vor dem Hintergrund der auslaufenden Tet-Feierlichkeiten deutlich zugenommen. Saigon bewegt sich knatternd auf zwei Rädern... und das nicht alleine, sondern zu zweit und teilweise sogar zu fünft auf einem Gefährt! Unglaublich mit wie viel Geschick die Gummi bereiften ‚Ritter’, hupend miteinander kommunizierend, die Straße und den Verkehrsfluss beherrschen, ohne sich zu berühren. Ich habe in dem Getümmel nie einen Unfall gesehen!
Für den nächsten Tag, den Sonntag (1.2.) habe ich mich für eine eintägige, ca. zehnstündige Fahrt mit einem Boot zum und im Mekongdelta angemeldet. Die Fahrt geht schon um kurz nach sieben Uhr los. Ein Bus bringt ein zusammengewürfeltes Häufchen von ca. 20 Leuten aus unterschiedlichen Ländern zum Anleger an der Thon Duc Thang des Sai Gon Rivers. Eine Art Hafenbarkasse fuhr uns den Fluss hinunter dem Südchinesischen Meer und dem Mekongdelta entgegen. Auf unserem Weg passieren wir auf dem ca. dreihundert Meter breiten Fluss und dessen Ufer diverse Frachter und Umschlagplätze und rechter Hand einen Container Terminal. Der Hafen der Achtmillionenstadt zieht sich kilometerlang in Richtung des Meeres und des Deltas. Frachtkähne mit dschunkenartigem Rumpf und Aufbauten, sowie einem erhöhten offenen überdachten ‚Ausguck’ für den Rudergänger und Kapitän in einer Person, beleben den mit uns fließenden Fluss entgegenkommend. Sie transportieren hauptsächlich Früchte in Mengen für den Saigoner Großmarkt: Kokosnüsse, Melonen, Pamelos, Papayas und Bananen sind in riesigen Mengen auszumachen.
Die Frachtkähne auf dem Sai Gon River, die uns auf der Fahrt zum Mekongdelta entgegenkamen 1.2.09.
Sie sind bis über die Bordwände aufgehäuft und werden durch Netze, Planen oder Gurte, aber teilweise auch nur durch geschicktes Stapeln, gehalten. Uns begegnen auch durch Taue verbundene Schiffe – so zusagen ‚im Päckchen’ - kleine Frachter, die vertäut die Reise gemeinsam fortsetzen, so kann einer der ‚Kapitäne’ schlafen oder anderen Tätigkeiten nachgehen.
Die vertäuten ‚Zwillingsschiffe’ auf dem Sai Gon River aus dem Mekongdelta kommend 1.2.09.
‚Der Gipfel’ sind dann auf diesem Weg, dass drei Frachter – es sind eine Art Küstenmotorschiffe – zusammen vertäut den Fluss hinauf fahren. Alle drei Kapitäne sitzen unter dem Kajütendach des mittleren Motorschiffes und spielen Karten! Einer greift in Abständen ins Steuerrad, um den Kurs zu halten. So schippern sie im Päckchen den Sai Gon River hinauf dem Umschlagplatz für die Früchte entgegen. Es ist eine schöne entspannte Stimmung und eine frische Brise kühlt die leicht erhitzten Häute der bleichen Touristen auf der Barkasse. Unser Guide, die uns bereits im Bus Willkommen geheißen hatte, gab einige Erläuterungen zum weiteren Ablauf der Tour. Die Übergänge vom Saigon Fluss in das Mekongdelta sind fließend. Der Weg führt uns hinaus aus dem Fluss in eine breiter werdende Fahrrinne und eine Insellandschaft mit einer riesigen Brücke im Hintergrund, mit zwei Pylonen, die durch Stahlseilstränge verbunden, die Brückenkonstruktion tragen.
Insellandschaft mit Palmenbestand und einem vorüber fahrenden Frachter.
Wir legen nach fast drei Stunden und über siebzig Flusskilometern, am Unicorn-Island (Einhorninsel) – Tân Thach – Island an. Die mehrere Kilometer lange Insel beherbergt nach Aussage unserer Reisegruppenleiterin (Guide) recht arme Menschen, die nur durch eine kleine Holzfähre mit dem Festland verbunden sind. Ihr mehr schlechtes als rechtes Einkommen bestreiten sie durch den Anbau der auf der Insel wachsenden Früchte, Honig, selbstgebrannte Schnäpse und den Verkauf von zum Teil selbst erzeugten Touristikartikeln (Andenken und Gebrauchsgegenstände). Daneben bereiten sie in den auf der Insel befindlichen Restaurants das Essen zu und servieren es den Booten mit besuchenden Touristen. Sie stehen in engem Kontakt mit den Betreibern der Boote und deren Reiseagenturen. Die ‚Delta Adventure Tours’ bieten Ein-, Zwei- und Dreitagetouren an.
Nach Erläuterungen der unterschiedlichen Früchte, die auf der Insel auf kleinen Plantagen angebaut werden, demonstriert unser Guide, wie sie in größeren Mengen transportiert werden können und man auch für ein Foto posieren kann.
Unser Guide, für das Foto als Früchteträgerin in Pose gestellt.
Auf der Einhorninsel wird nicht nur Tee getrunken, sondern mit flachen Booten zwischen den Wasserkokosnusspalmen Bootstouren auf die Insel durchziehende Wasserläufe unternommen. Etwas für Touristen... aber ganz nett!
Bootstour durch die von Wasserkokosnusspalmen gesäumten Wasserläufe der Einhorninsel im Mekongdelta. 01.02.09
Die Frucht der Wasserkokosnusspalme
Der gewaltige Strom – der Mekong – kommt mir immer zu kurz bei den Ausführungen ... Event, Schlangen, Bienen und Skorpione sind wichtig!? Auch das gemeinsame Essen gehört zu der Tour und dann... das individuelle Erkunden der Insel mit dem Fahrrad. Ich mache eine kleine Radtour und setze mich dann an einen der Wasserläufe, die wir auf Tân Thach befahren haben und fertige eine Skizze.
Brücke auf Tân Thach im Mekong Delta 01.02.09
Nach dem Übersetzen nach My Tho über den äußeren linken Mekongarm, dem Passieren des Hafens gegenüber der Stadt, setzten wir unsere siebzig Kilometer lange Tour zurück nach Ho Chi Minh City mit einem auf uns wartenden Bus fort.
Am Gegenüber des Anlegers von My Tho liegende Schiffe, 01.02.09