vorige Seite
Übersicht
nächste Seite
vorige Seite
Übersicht
nächste Seite

Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 36, Teil 2 von 2
5. bis 11. April 2009

Am nächsten Tage war ich um 9:00 Uhr mit Srisuda, der ‚Hotelmanagerin’ an der Grenzabfertigung auf der thailändischen Seite, verabredet. Am Vortage hatte ich am Kontrollpunkt an der Grenze erfahren, dass ich durch Kopie und Beglaubigung auf der thailändischen Seite mein in Savannakhét erworbenes Visum nicht antasten brauche. Die Kopie wird dann in Myanmar einbehalten und mein Passoriginal bleibt in Thailand an der Grenzstation und kann beim Passieren der Grenze durch Abgabe der beglaubigten Kopie wieder von mir in Empfang genommen werden.

Srisuda hat einen Schirm dabei, denn es hat am Morgen begonnen zu regnen. Glücklicherweise hört es nach kurzer Zeit und dem Passieren der Grenze wieder auf, denn unter dem ‚Minischirm’ hätten wir beide keinen Platz gefunden. Die Grenzformalitäten gestalten sich dieses Mal nicht so kompliziert und aufwändig, wie vor einem guten halben Jahr – möglicherweise auch ein Indiz für eine weitere Lockerung der Grenzformalitäten, sowie der Situation im Lande und einer Entspannung der nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten.

Der Markt von Tachilek zeichnet sich wesentlich durch billige ‚Remakes’ von meist westlichen Markenartikeln aus chinesischer Produktion aus. So sind Markenhemden aus ‚deutscher’ und ‚französischer’ Produktion für um die drei € zu haben. Auch Uhren, Handtaschen, nachgemachter Schmuck, elektronische Geräte aller Art (vor allen Dingen Telefone), sind zu Schnäppchenpreisen zu ergattern. Leider gibt es das von mir bevorzugte Produkt nicht mehr. Neue Waren und Produzenten drängen auf den Markt. Alles wird verramscht. Beim Kauf um kurz nach neun sind nicht nur die Mönche mit den Sammelbehältnissen unterwegs vor den Ständen, sondern auch kleine fliegende Händler bieten Zigarettenstangen und ‚Familienpackungen’ von ‚Viagra’ an. Ich wimmele sie mit dem Hinweis ab, dass ich weder rauchen würde noch sexuellen Betätigungen nachgehe. (Don’t smoke, no Sex! Finish! Bye, bye!).Einige sind doch so penetrant und verfolgen mich über den halben Markt.

IMG6037350

Ein Geschäft für Kinderschlafanzüge auf dem Markt von Tachilek am 9.04.09

Auch Andenken verschiedener Art werden angeboten und bringen mich auf eine Idee der Installation mit den ausstehenden Arbeiten bei den Bergvölkern. Diese letzte Tour ist für in drei Wochen geplant, hoffentlich klappt es?! Ich habe noch keinen positiven Bescheid aus Mae Hong Son. Ich laufe weiter über den Markt, der sich nun zunehmend mit Menschen aus Thailand sowie einer Reihe von Farang füllt. Mit Srisuda bin ich bei Doi Chaang, dem Kaffeeproduzenten aus Thailand, verabredet. Hier mache ich noch eine kleine Serie von dem Markttreiben der gegenüberliegenden Stände.

IMG6044485

IMG6045485

IMG6046485

Impressionen vom Markt in Tachilek am 09.04.09

Gegen 13:00 Uhr sind wir wieder in Mae Sai/Thailand und ich begebe mich nach Verabschiedung von Srisuda, die am frühen Abend wieder arbeiten muss, einer kleinen Suppe in einer ‚Küche’ und einer Pause auf einer Bank im Schatten, zum Fluss Mae Sai, an dem sich an dieser Stelle nicht nur einige nette Restaurants befinden, sondern auch eine flache Stelle des Flusses die Grenze zwischen Mea Sai und Tachilek bildet. An diesem warmen, ja fast schwülen Tage, halten sich viele Kinder und Jugendliche in dem nicht tiefen Fluss auf und plantschen nach Herzenslust. Ich halte diese Szene in einzelnen Zeichnungen und Skizzen fest. Nach einiger Zeit gesellen sich wieder Zuschauer an meine Seite. Es sind Thailänder aber auch ein Farang aus Südafrika kommt hinzu, ehemals Fremdenlegionär und nun mit kleinem Kind auf dem Arm. Mit über sechzig ist er mit deutlich jüngerer Frau noch einmal Vater geworden und kümmert sich liebevoll um sein Kind.

IMG6091485

Die Grenze als ‚Spielplatz’ von Kindern aus Myanmar und Thailand am 9.04.09

Zeitweise patrollieren zwei Grenzsoldaten entlang des Flusses auf thailändischer Seite, halten inne und beobachten das gegenüber liegende Ufer. Eigentlich hat man das Gefühl, dass sie sich etwas überflüssig vorkommen, vor dem Hintergrund dutzender badender Kinder und Jugendlicher. Es ist noch Zeit, ich beginne schnelle Skizzen des Geschehens mit Japantusche und als Vorarbeit weiterer Zeichnungen in gleicher Technik.

IMG6092485

Flüchtige Skizze mit Japantusche der Plantschenden im Grenzfluss zwischen Myanmar und Thailand am 9.04.09

Ich wende mich anschließend dem Flussverlauf meiner Rechten zu, wo sich eine kleine Staustufe im Fluss befindet und skizziere auch die Häuser und Hütten auf der Seite von Myanmar, die alle mit Fernsehantennen ausgestattet sind.

IMG6093485

Skizze der kleinen Staustufe, im Grenzfluss Mae Sai, der Grenze von Thailand und Myanmar in Mae Sai am 9.04.09

Ich bin gerade in das Zeichnen vertieft, als ein Schrei und eine Schimpfkanonade auf Burmesisch den ruhigen Ort erschüttert. Einen Augenblick später stürmen zwanzig junge Burmesen den Fluss und eine Hand voll junge Thai verlassen fluchtartig den Ort des Geschehens. Es kommt mir vor wie Machtgebaren zweier rivalisierender Jugendbanden, die unbedingt ihre Kraft messen wollen. Auch scheint es um Gebietsansprüche zu gehen. Nach zehn Minuten des Gebrülls und Rückzug der jungen Thai beruhigen sich die hitzigen Gemüter und alle ziehen von dannen. Der Grenzfluss liegt nun verwaist da und gluckert vor sich hin. Ob da noch alte Rechnungen beglichen werden müssen? Wir wissen es nicht!

Am nächsten Morgen um 9:00 Uhr soll der helle Anzug fertig sein. Ich bin um kurz nach neun dort und kein Tailor John da! Nach einiger Zeit kommt seine Frau und zeigt mir die fast fertige Jacke ohne Knöpfe. Die Ärmel sind zu kurz! Mr. John kommt und vertröstet mich auf 12:00 Uhr. Ich schreibe weiter im Hotel an dieser Seite und gehe um kurz nach 12:00 Uhr wieder hin.

IMG6094350

Tailor John legt letzte Hand an meinen ‚Herzenswunsch’, einen crèmefarbenen Anzug, tailliert (etwas auf europäischen Winterzuwachs geschnitten) mit kleinem Stehkragen und mit Stoff überzogenen Knöpfen, sowie einer klassischen Hose. Schneider John in Mae Sai Tel.: 053 – 733280 oder 083 - 2033670

Um 12:30 Uhr kann ich das gute Stück, was mich in Deutschland den acht- bis zehnfachen Preis gekostet hätte, in Empfang nehmen.

Gegen ein Uhr trete ich meine Heimreise nach Chiang Rai an, nicht ohne mir zuvor genau zu überlegen, wo ich dieses Mal sitzen muss, um nicht wieder bis auf die Haut nass zu werden. Es muss die rechte Seite – zur Fahrbahnmitte weisend – sein, da dort kaum Gefahr lauert. Auch meide ich die Tür. Alles geht gut, bis kurz vor Chiang Rai jemand in der gegenüberliegenden Sitzreihe das Fenster öffnet, da es doch sehr stickig ist und in dem alten Bus nicht alle Ventilatoren funktionsbereit sind. Ungefähr zweihundert Meter vor dem Busbahnhof mitten in der Stadt ganz unverhofft fliegt ein Schwall in den Ausmaßen eines Zwanziglitereimers durch das halbgeöffnete Fenster. Auch ich werde ‚leicht’ nass... doch fast geschafft.

Jetzt nur noch ein schnelles TukTuk... und schon bin ich zu Hause. ... dacht ich mir so. In der verkehrsreichen Phaholyothin Road mit den vielen Geschäften wird es wohl keine ‚Privatleute’ geben, von denen Wasserattacken ausgehen würden. Schon von weitem erkennt man durch Wasserpfützen auf der Straße, wo sich wieder ‚Wasserattentäter’ aufhalten... häufig in Abdeckungen. Es kommt eine große Pfütze in Sicht, der TukTuk-fahrer beschleunigt, um ungeschoren mit seinem nach allen Seiten offenen Gefährt an der Stelle vorbei zu kommen. Und schon sehe ich einen Eimer schleppenden Jungmann auf das TukTuk zusteuern. Ich kann noch gerade meine Tasche hochreißen, um die gesamte Wucht und Menge abzuwehren, und es ergießen sich weitere 30 Liter über meinen Körper und durchnässen mich vollkommen. Andre Länder andre Sitten!

Ich bin gespannt auf die nächste Woche, dann geht es erst richtig los!

Gegenwärtig funktioniert wieder einmal mein Internet-Anschluss hier im Hause nicht! Bitte nicht böse sein, wenn die Mails erst später beantwortet werden. Bis zur nächsten Woche, mit feuchter Hose und nassem Hemd grüßt....

ÜbersichtÜbersicht