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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 3
17. bis 23. August 2008

Am Wochenende bin ich bereits um kurz nach 8:00 Uhr vom Einzug der neuen Nachbarn schräg gegenüber geweckt worden. Eine unglaubliche Menge von Leuten, 10 Erwachsene und vier Kinder, halfen dabei. Die ganze Aktion ging dann in eine Einzugsfeier mit Thai-Whisky und duftendem Essen über. Es wurde sich nicht unterhalten, sondern gerufen.. es ging heiß her. So wie ich später hörte, dauert die ganze Angelegenheit bis zu drei Tagen... ungefähr mit unserem 'Stühle-Rücken' in Bremen zu vergleichen... nur das hier Einzug und Fete in 'einem Abwasch' abgehandelt wird. Am darauf folgenden Sonntag (17.08.) war es dann außerordentlich schwül - schon am Tage zuvor, als die Übermittlung der digitalisierten Bilder für die Web-Tagebuchseite nicht klappte, war Transpirieren rundum angesagt. Am darauf folgenden Montag, als ich nicht nur einen eigenen Anschluss hatte, sondern auch die helfende Hand und Stimme (Skype) der geduldigen Frau Osmers von Art & Media im Hintergrund hörte, klappte es auch mit der Übermittlung. Trotz der großen Schwüle machte ich mich an diesem Sonntag noch einmal auf zum Dorf von T. Dashani nördlich von Chiang Rai. Man muss dazu über die Autobahn 2 an der äußeren Grenze der Stadt vorbeifahren. Vorab ist noch zu erwähnen, dass hier in Thailand Links-Verkehr besteht, also für jeden kontinentalen Europäer ungewohnt. Dazu kommen die besonderen Verkehrsregeln, z.B. dass man auf der Autobahn auch mit Fahrrad-Rikschas, Mopeds und Fahrrädern fahren darf. Dazu gibt es meist eine durchgezogene Linie, unserer Standspur entsprechend.

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Verkehrsschild : auch für Fahrräder, Mopeds und Fahrrad-Rikschas ist das Befahren der Autobahn (Standspur) möglich.

Also fuhr ich links auf der A 2 mit dem Fahrrad gen Norden. Unterwegs überraschte mich der eine oder andere Regenschauer. Durch kürzere oder längere Rasten kam ich erst gegen 11:30 Uhr im Dorfe an. Die Atmosphäre war aber eine vollkommen andere als beim ersten Besuch vor knapp einer Woche. Der Himmel war bedeckt, die Wege und Gebäude wie ausgestorben. Keine Besucher bevölkerten Gebäude und die gesamte Anlage. Drei Wärter schlichen über das feuchtwarme Gelände, fegten die Wege und pflegten die Exponate. Ich hatte Zeit bis zum nächsten Regenschauer, zwei Zeichnungen zu fertigen.

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Haus 10  11  12  von Thawan Duchanee
 

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Haus 17 auf dem Gelände des Ban von Thawan Duchanee

Beim Hinausgehen vom Gelände fällt mir noch einmal neben dem alten Bot (Teil des Wat) das kleine 'Geisterhaus' auf. Zu jedem Haus - so wie hier zum Wat des Museums - gehört ein sog. 'Geisterhaus'. Es wurde mir so erklärt: wird in Thailand ein Haus neu errichtet, so muss der Bauherr die vom Grundstück vertriebenen Geister positiv stimmen, in dem diesen auf dem Grundstück nach Osten, Nordosten oder Süden ein entsprechendes Haus geschaffen wird. Das kann, je nach Größe und Wichtigkeit des eigentlichen Hauses, entsprechend aufwändig ausfallen: von kleinen gemauerten Palästen bis zu Vogelhaus-ähnlichen Stelen. Der Schatten des neuerrichteten Hauses darf niemals auf das 'Geisterhäuschen' fallen. Der Zeitpunkt der Errichtung des Häuschens ist astrologisch verbrieft. Die Einweihung sollte in den Vormittagsstunden vor 11:00 Uhr stattfinden, damit die Geister noch in Ruhe zu Mittag essen können. Das Aussehen dieser Häuser kann sehr unterschiedlich ausfallen. In der Regel sehen sie aus wie kleine Tempelnachbildungen, angefüllt mit Opfergaben und magischen Figuren und Gegenständen. Vor den Häuschen brennen fast immer Räucherstäbchen. So hat auch hier in der Straße eigentlich jedes Haus so ein 'Geisterhaus'... eigentlich müsste ich auch eines für diese Haus anschaffen?! Ganz in der Nähe habe ich zwei Exemplare an der A 2 entdeckt und gezeichnet.

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'Geisterhaus' Thai: Chan Pa Poum neben einem Wohnhaus

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'Geisterhaus' vor dem Einkaufszentrum 'Big C' in Chiang Rai

 

Am Abend dann nach meiner Rückkehr vom Museumsdorf wurde ich von Chamnan und Kobkun zum Essen eingeladen. Es gab ein tolles, sehr pikant-scharfes Essen, hervorragend gewürzt, dazu wurde Duftreis und Klebereis gereicht. Wunderbar! Ich hatte bei 'Big C' den einzigen franz. Rotwein (umger. 7.- Euro, für hiesige Verhältnisse recht teuer) ergattert. An diesem Abend entschloss ich mich, die Nordtour doch um eine Woche zu verschieben, da am Montag oder Dienstag, nachdem am Freitag das Netzkabel gelegt wurde, nun das Telefonkabel dran ist.

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Internet- und Telefonkabelmontage am Mast gegenüber des Hauses

Am Montag mit dann mit Chamnan die Box vom Call Center 1103 besorgt und im Hause angeschlossen. Am Dienstag (19.08.) dann so gegen 11:30 Uhr zu den Nam Tok Wasserfällen im Nam Kok Khun Kon Forest Park Richtung Südwest und in der Nähe der Grenze nach Myanmar(Birma) aufgebrochen. D. h. ich hatte es mir vorgenommen. Nachdem es aber wieder am Vorabend etwas später geworden war und ich immer noch auf den Telefonanschluss wartete, ging's erst gegen Mittag los.

Die Strecke gen Südwesten führt immer über die Reisfelder und fast zwangsläufig am Wat Rong Khun vorüber. Dann ging es weiter über die Nationalstraße 1208 hinter Ban Wiang Wai (Ban steht immer für Dorf) nach links in Ban Suan Dok in die 1211, vier Kilometer geradeaus, dann nach rechts zu den Nam Tok Khun Kon-Waterfalls.

Spätestens hier stellte sich heraus, dass ein Fahrrad ohne Gangschaltung in den Bergen nicht sehr zuträglich ist. Es war inzwischen 14:00 Uhr geworden und die Sonne knallte erbarmungslos. Nach 3 - 4 km gab ich auf, da ich nur noch in den Pedalen stand, der Schweiß rann an mir herab und die Arme und das Gesicht waren krebsrot. Um Gewicht im Gepäck beim Hinflug zu sparen für Farbe, Stifte, Pinsel und Papier, war die Sonnenmilch mit dem Lichtschutzfaktor 30 zu Hause geblieben.

Die Einheimischen hatten ihren Spaß an dem Anblick. Der Farang (sprich: Fallang - bedeutet 'Langnase') mit dem schlechten Fahrrad, der großen blauen Fahrradtasche (handgearbeitet aus Kunstleder, umgerechnet für 12,- Euro) und dem indianermäßigen Gesicht. Ich fuhr entnervt zurück zum Wat, aß dort eine scharfe Nudelhühnersuppe und trank Wasser mit Eis...Eis bis zum Abwinken! Danach einen Espresso. Aus Frust über das gerade Erlebte oder besser Nichterlebte fertigte ich noch eine Zeichnung vom Wat - dieses Mal von vorne.

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Wat Rong Khun

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Renovierungsarbeiten am Wat Rong Khun

Über das Malen kommt man immer auch gerade mit Einheimischen gut ins Gespräch. Nun war meine gerade beschriebene Erscheinung nun auch nicht gerade besonders unauffällig. Es scharten sich mit der Zeit Restaurantbetreiber und Andenkenhändler um mich und begannen beim Malen ein Gespräch. Eine jüngere, etwas stabilere Frau, des Englischen halbwegs mächtig, war die Dolmetscherin. So erfuhr ich, dass die Strecke hinauf zum Wasserfall halb so schlimm sei und auch mit einem Fahrrad wie dem meinigen zu schaffen sei. So entschloss ich mich, am darauf folgenden Mittwoch (20.08.) es noch einmal zu versuchen.

Dieses Mal ging es eher los, so gegen 9:30 Uhr (mit der Telefonanlage hatte es sich geklärt - es fehlte nur noch der Apparat). Gegen 11:00 Uhr zogen die ersten Wolken auf. Aber die Berge und das Vorbergland des Doi Chang (1778m) waren noch klar zu sehen und nicht Wolken verhangen. Wieder stand ich in den Pedalen, aber widerstand dem Anstieg. Acht Kilometer vor dem Wasserfall ereilte mich dann ein ordentlicher Regenschauer. Ich kam in einer Garküche am Wegesrande im Dorf Ban Pang Rim Kon unter... es pladderte, was das Zeug hielt. Dazwischen Blitz und Donner. Die Straße, die sich vor der Garküche befindet und bergauf zum Wasserfall führt, wurde nun selbst zum reißenden rötlich-braunen Sturzbach, ja Strom. Mit kurzen Unterbrechungen dauerte dieses Strömen und diese wolkenbruchartigen Regenfälle zwei Stunden. Zwischendurch kurze, sehr kurze Aufheiterungen. Dann die kleine Begebenheit an der Straße zum Wasserfall, direkt an der Garküche unter rotem Regen-Sonnenschirm... und schnell aufs Papier gebannt.

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Im Dorf Ban Pang Rim Kon, 8km vor dem Wasserfall

Gegen 16:00 Uhr drehte ich zum zweiten Male frustriert um, da die letzten 6 km in der Zeit und bei aufkommendem Gewitter nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit zu schaffen waren. Die Strecke, zu der ich zuvor bergauf eineinhalb Stunden gebraucht hatte, legte ich nun in rasender Fahrt in knapp 20 min. zurück... und mit mir Wassermassen, angereichert mit gelblich-braunem Schlamm zu Tale wälzend. Meine hellen Klamotten sahen dementsprechend anschließend aus. Ein kurzer Halt auf halber Strecke, um zwischen Ban Pan Kok und Ban Pan Mung noch eine Skizze vom reißenden Be- und Entwässerungsbach am Reisfeld zu machen (zu Hause dann fertig gestellt).

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Reißender Bach nach dem Monsun zwischen Ban Pan Kok und Ban Pan Mung  am Fuße des Doi Chang

Am Donnerstag einen 'Tag der Besorgungen' eingelegt, auch um meine verbrannte Haut zu schonen: dunkle Jeans (siehe Radtour) im Department Store gekauft/ Nivea -Kinder-Sonnenmilch Lichtschutzfaktor 50! (bei Boots) und in verschiedenen Buchläden nach T. Dashani gefragt ... über Umwege an den Kunst- und Antiquitätenhändler Boonchai Kewsuwan geraten. Mit ihm längere Zeit gesprochen (kann ganz gut Englisch) und einiges erfahren. Der gesuchte Künstler ist sein Freund. Seine richtige Schreibweise ist Thawan Duchanee (mal unter Google nachsehen und unter < www.thawan-duchanee.com > dort dann unter Biography und Thawan Collection -> Häuser des Dorfes und Lageplan).

Boonchai wird mich anrufen, wenn Thawan wieder in seiner Geburtsstadt Chiang Rai ist, um dann ein Treffen zwischen uns dreien zu vereinbaren. Ich bin gespannt!

Am Freitag noch einige Einkäufe getätigt, versucht, Konto zu eröffnen und ein Busticket 1. Klasse für Montag ins 200 km entfernte Chiang Mai besorgt (Vollklimatisiert mit Liegesitzen, Stewardess und kalten Getränken für 191 Baht ungf. 3,80 Euro). Meine verschobene 'Nordtour' beginnt nun am kommenden Montag (25.08.) um halb 11 Uhr

Ich werde dann am kommenden Samstag wieder berichten.

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