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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 2
10. bis 16. August 2008

Am Samstagabend kam spät Chamnan (Bruder der Braut) noch bei mir vorbei und brachte als Nachtmal Essbares mit. U.a. LONGAN - Thai: Lomgoai die am Strauch wachsen aussehen wie runde Kartoffeln, gepellt werden müssen und dann - welch Überraschung - zuckersüss schmecken- mit einer Konsistenz ähnlich einer Lichy - in der Mitte mit einem großen dunklen Kern.
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Teller mit Lomgoai auf der Terrasse des Hauses.

 Zur Witterung in der zweiten Woche in Thailand ist dann doch etwas zu sagen. Mit dem wichtigen Kauf eines Ventilators ist die Situation inzwischen erträglicher geworden. Auch abends steht er auf Stufe zwei vor dem Arbeitstisch oder dem Bett, da sich häufig kein Lüftchen regt. Die letzten Tage, gerade zu Anfang der Woche, waren von ständigem Wetterwechsel von stechendem Sonnenschein mit hoher Luftfeuchtigkeit und wolkenbruchartigen Regenfällen bestimmt. Immer wenn die Sonne besonders schön schien, kündigte sich der nächste Regenschauer oder auch halbstündiger Wolkenbruch an. Somit ging einem diese ständig ändernde Witterung zwischen abkühlender Nässe und glühendem Sonnenschein nicht nur 'auf den Geist', sondern zunehmend auf den Kreislauf. Es bleibt einem dann nichts anderes übrig, als sich erschöpft mit einigen Handtüchern aufs Bett zu legen und leise vor sich hin zu transpirieren. Es gibt aber auch Tage die versöhnlich stimmen

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Bild von der Straße direkt nach einem Monsun

Am Montag, dem 11.08. habe ich dann mit Chamnan eine "Rundreise" über die Hügel in der Nähe von im Norden von Ching Rai gemacht. Vom Wat Phra That Doi Khao Khwai - Tempelhügel am Rande von Chiang Rai - bot sich uns ein Blick über die saftige, fruchtbare Gegend um die Stadt.

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Blick vom Hügel des Wat Phra That Doi Khao Kwai in nordwestliche Richtung

Von dort ging es dann weiter auf der Autobahn 1 in nördliche Richtung hinaus aus der Stadt Richtung Mae Chan und Mae Sai (Grenze nach Myanmar / Burma). Nach ca. 7 - 8 km ging es dann bei Nang Lae links von der Autobahn ab zum 'Museumsdorf' des Dr. Tavan Dashani. Ich wußte nicht, was mich erwartete... aber das übertraf doch alles bisher gesehene an zeitgenössischer Architektur, Kunst und Installation, was ich bisher in Thailand gesehen habe. Ein großes Areal mit älteren Wat-bauten und zum Teil älterem Baumbestand ca. 2 km entfernt von der A 1 fügt sich in die Landschaft ein und gliedert sie gleichzeitig durch ihre Bauten. 'Behausungen', begehbare Skulpturen verbunden durch ein Wegenetz, das sich zum Teil erhaben aus der Landschaft abhebt. Das Museum wurde gestaltet und federführend initiiert von einem Professor und Dr. der Philosophie, Geschichte, Kultur- und Kunstgeschichte. Mein Begleiter Chamnan, der mir diese Anlage strahlend zeigte, sagte mir später, Dashani würde nur zeitweise hier anwesend sein. Die übrige Zeit hätte er eine Professur in Deutschland; an welcher Universität konnte er mir nicht sagen.

Der Aufbau des Geländes ist, so scheint es mir, eine gelungene Phantastische Kombination von traditioneller Architektur, Skulpturen, skulpturaler Zitate und Landschaftsgestaltung. In den Behausungen, wenn sie begehbar  - also die Wände fortgelassen wurden - befinden sich Ansammlungen verschiedener traditioneller Gebrauchsgegenstände der Jagd, des Ackerbaus und auch der Viehzucht.

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Verschiedene traditionelle Gebrauchsgegenstände

Sie sind so zueinander in Beziehung gesetzt, dass keine erklärenden Schilder benötigt werden... im Gegenteil, der Aufbau lebt durch die Spannung der Objekte zueinander. Wiederkehrendes Element sind hunderte möglicherweise tausende von Büffelhörnern, die in Kombination mit Holz und anderen Hornprodukten zu Skulpturen, Deckengestaltungen und zu Sitzgelegenheiten geformt wurden. Möglicherweise auch etwas für Möbeldesigner?!!

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Der Hornsessel mit Tierhautbespannung als Rückenlehne und Sitzfläche

Körbe, Siebe, Reusen und Netze unter der Decke bilden das 'Dach' für diesen 'Lebensraum', der mit Möbeln, Fellen und rituellen Gegenständen angereichert ist. Das 'Haus' besitzt keine Wände! Andere Behausungen wiederum sind 'nur' von außen zu betrachten und haben durch ihren geometrischen, achsialen Grundriss sowie z.T. auch an den Hausfronten festzustellen, ein sehr skulpturales Ansinnen. Angepasst an diese Behausungen ist ein jeweils zenartig angelegter 'Garten' z.T. wie eine Skulptur vor dem Haus .

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Diese Gärten/Vorgärten werden verbundendurch die erhabenen Wege, die zu den einzelnen Gebäuden führen. Die gepflasterten Wege erscheinen wie aus der Landschaft herausgehobene Landungsstege. Möglicherweise hat das Gründe, ein einheitliches Niveau zu schaffen gegen die monsunartigen Regenfälle - es scheint Überschwemmungsgebiet. Aber die Hauptseite sind diese Wege durch Wegweiser und Anordnung in Beziehung zu bringende Verbindungen sowie Gliederungsmittel der gesamten Anlage. es entstehen immer wieder Achsen des Schauen und Laufens. Insgesamt könnte man von einem künstlerisch-architektonisch gestalteten ethnologisch-philosophischen Invironment sprechen.

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Das umgestaltete alte Bot des Wat

Nach diesem eindrucksvollen Besuch, über den noch detaillierter berichtet werden könnte und von mir mindestens noch ein zweites Mal besucht wird, ging's weiter zur Mae Fah Luang University von Chiang Rai (nördlich der Stadt gelegen. Aber darüber an anderer Stelle.

Am darauf folgenden Dienstag habe ich mit Chamnan und seiner Frau Kobkun und ihrer Tochter das Wat Rong Khun südwestlich von Chiang Rai angesehen. Dieses Wat (Tempelbau) ist das - so wie ich meine - Gegenstück zu dem beschriebenen 'Museumsdorf' von T. Dashani. Hier hat sich der in Thailand hoch dotierte, traditionell arbeitende verhältnismäßig junge Künstler Chalermchai Kositpipat (53) ein Denkmal gesetzt.

Vor gut fünf Jahren begann er mit dem ehrgeizigen Projekt in seinem Heimatdorf Ban Rong khun eine große Wat - Anlage zu errichten.

Zu diesem Zwecke wurde nicht nur viel Land gespendet oder von Staatlicher Seite gekauft, sondern auch der kleine Strom, der zuvor an Ban Rong Khun vorbei floss, umgeleitet und z.T. aufgestaut. Somit fließt nun über die gesamte fast ebene Anlage in Kanälen und durch kleine Becken das Wasser, das der gesamten Anlage einen märchenhaften Eindruck verleiht. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die weiße Färbung der verschiedenen Gebäude und Stelen, die wiederum mit tausenden und übertausenden kleiner Spiegel versehen sind. Die Schneekönigin von Hans Christian Andersen hätte ihre Freude an dem 'Palast' gehabt und hätte wohl gerne diesen Wat zu ihrem Schloss erklärt.

Durch die Lichteinstrahlung glitzert die Anlage in besonderer Weise. Der Künstler, auf desssen Geheiss und nach dessen Plänen diese Anlage gearbeitet ist, arbeitet auch in seiner Acrylmalerei sowie in seinen Lithographien sehr traditionell. Eine individuelle Malweise/ein eigener Pinselduktus etc. wird "zu Gunsten der Sache" (irgendwoher kenne ich doch so etwas) ganz ausgeklammert. Fast altmeisterliche Techniken formen die Geschichte und Geschichten um den alles beherrschenden Buddha. Diese Art der Umsetzung gilt nicht nur für die Tafelmalerei, sondern auch für die Ausmalungen, für die Wandmalerei des Wat bzw. des Bot (Gebäude im Tempel, in dem religiöse Zeremonien durchgeführt werden. Es besitzt einen Altar und ringsherum sog. Grundsteine).

Als ich vor eineinhalb Jahren schon einmal diesen Wat zeichnete, untertitelte ich die Skizze mit "Neuschwanstein in Thailand". Bei heutiger Betrachtung besteht immer noch der Anachronismus zwischen unserer Zeit diesen traditionellen Ausdrucksformen, die stark an die Zuckerbäckerarchitektur des Rokoko erinnert. Einzig die Bauweise - Betonständerbau - ähnlich denen des 'Bauklotzverfahrens', die anschließend verkleidet wird, damit nichts von der Unterkonstruktion sichtbar bleibt zollen modernen Errungenschaften ihren Tribut.

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Wat Rong Khun

 

Diese 'kurzen' Eindrücke sollten reichen. Beim Verlassen des Wat sprang mir dann doch dieses Hinweisschild zur vergoldeten! Toilette ins Auge - ein extra breiter Weg zur geräumigen Behindertentoilette: für Alte, Rollstuhlfahrer und Fettleibige.

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Zwei Tage später besuchte ich den Wat ein weiteres Mal. Diesmal mit dem Fahrrad über die Reisfelder südwestlich unterhalb von Chiang Rai. Mein Ziel war schon der Wat. Hier machte ich von einem Café seitlich des Wat die Impressionen.

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Auf dem Rückweg entstand dann noch das abschließende Aquarell von Reisfeldern mit Blick nach Nordwesten von Bananenstauden begrenzt.

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Mehr in der nächsten Woche, wenn nicht nur am Montag das Telefon und der Internetanschluss installiert ist sondern ich auch von der 'Nordtour' Chiang Rai - Chiang Mai - Lampang - Phayao - Chiang Rai wieder zurück bin.

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