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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 22, Teil 1 von 2
28. Dezember 2008 bis 3. Januar 2009

Am Sonntag, den 28. Dezember 08 trennte sich unsere ‚Reisegruppe’: Hermann und Rita blieben noch einen Tag länger in Luang Prabang, denn sie wollten nicht noch einmal die doch langwierige Tour mit dem ‚Slowboat’ - mit Stopp in ‚Laramie’ (Pak Beng) - machen und hatten sich für ein ‚Speedboat’ entschieden, das diese Strecke in 6 bis 7 Stunden zurücklegt. Margarete und ich entschieden sich für die langsamere Tour zumindest bis zum Übernachtungsort Pak Beng, um sich dann für die zweite Hälfte möglicherweise für eine schnellere Variante zu entscheiden. Für mich war diese Wahl der Rückreise natürlich ‚Seelenbalsam’, hatte ich doch vor zwei Tagen durch den Diebstahl meiner Digitalkamera auch die Daten der über 500 Mekongbilder verloren. Hermann lieh mir seine Kamera, da auf dem Speedboat während der Fahrt Fotografieren schier unmöglich ist. Auch wollte ich die in Luang Prabang auf dem Markt erstandenen beiden Leporellos (Faltbücher in diesem Falle zum Zeichnen, besonders für Panorama- und Ablaufszeichnungen und Darstellungen geeignet) zum ‚Einsatz bringen’.

Der Morgen war recht frisch auf dem Boot - um kurz vor acht hatte uns ein Samlor vom Guesthouse abgeholt, um uns zum Anleger der ‚Slowboats’ zu chauffieren. Das Boot für die Rückfahrt war weitaus komfortabler als die beiden Seelenverkäufer der Hinfahrt mit schönen Bodendielen und Gardinchen. Es war sogar teilweise mit Autositzen ausgestattet, die wir aber wegen des doch längeren Wartens auf das TukTuk nicht mehr in Anspruch nehmen konnten, sie waren bereits fast ausschließlich von Farang belegt. Das Boot legte pünktlich um kurz nach 9:00 Uhr zur Rückfahrt nach Houayxsay und Pak Beng ab. Der Motor lief viel ruhiger und man konnte sich sogar bei der Fahrt unterhalten – auf der Hinfahrt mussten wir schreien!

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Impression am Mekong kurz nach unserer Abfahrt in Luang Prabang auf dem Weg nach Pak Beng - das rechte Mekongufer am 28.12.08

Die Landschaft zog an uns vorüber und ich erstellte auf den ersten Kilometern nach dem Ban Pak Ou zwei mehrere Meter messende aquarellierte Leparellos. Ich zeige sie hier ausschnitthaft in zwei Teilen mit zwei und vier Zeichnungen.

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Die rechte Uferseite des Mekong zwischen Ban Pak Ou und Pak Beng / erster Teil /

Zwei Ausschnitte aus dem vierten Leporello am 28.12.08

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Die rechte Uferseite des Mekong kurz vor Pak Beng / zweiter Teil / Vier Ausschnitte aus dem fünften Leporello am 28.12.08

Schroffe, scharfkantige Felsen zogen die Blicke der Vorbeifahrenden auf sich, die elektronischen Auslöser klackten kaum hörbar und die hauptsächlich aus Farang bestehenden Passagiere blinzelten begeistert in die fast surrealistisch wirkende Landschaft von Felsen, die langsam vom Mekongschlamm und Sand verschüttet zu werden scheinen. Nur noch Rudimente dieser schroffen Hinterlassenschafen lugen dann und wann aus den stufenartig abgesetzten Sand- und Schlammmassen.

Wieder werde ich an Yves Tanguy, den französischen surrealistischen Maler (1900 – 1955) erinnert. Der Autodidakt, bekannt durch seine Erinnerungs- und Traumlandschaften, die er mit seinen Eindrücken der afrikanischen Wüste verband, malte phantastische, sich in der Unendlichkeit verlierende Landschaften, in die er schwebende meist organische Objekte (‚Stein’ und ‚Felsen’) einfügte. Schwebendes erzeugte er durch das Überziehen der Objekte mit einer silbriggrauen Lasur – hierdurch suggerierten seine Arbeiten den Eindruck vollkommener Stille einer fast überirdischen Welt. Zu vergleichen ist dieser Eindruck mit dem hier gesehenen sandigen Schlamm des Mekong: einsame ‚Sandlandschaften’ mit aus dem Sand herausragenden Skulpturen.

Im Laufe der Zeit verändert sich das Ufer und der Bewuchs des scheinbar fruchtbaren Flussschlammes – nun sieht man vermehrt die Hänge und Ebenen des Schlamm-Sand-Gemisches eingezäunt und mit Sämereien und schon größeren Anpflanzungen versehen. Mit einem jungen Mann, der in Luang Prabang studiert und nun seine Eltern in Pak Beng über die Feiertage besuchen will, komme ich ins Gespräch. Auf meine Frage, was denn von den einheimischen Bauern auf diesen Flächen angebaut würde, erklärt mir Mec, dass es fast alle notwendigen Gemüsesorten, Gewürze, Mais, Kartoffeln und auch die nicht im Wasser wachsenden grasartigen Pflanze, aus der die ‚Körner’ des Sticky-rice gewonnen werden. Die Hänge sind meist der Sonne zugewandt und werden nur für eine Trockenzeitperiode als Pflanzbett genutzt, um in der Monsunzeit durch das Ansteigen des Wasserspiegels um acht bis zehn Meter wieder vom Mekongwasser überflutet und mit einer neuen Schicht fruchtbaren Schlamms überzogen zu werden.

Die Eltern des jungen Mannes Mec aus Luang Prabang betreiben das Phonethip Guesthouse – somit kommen wir eine weitere Nacht in ‚Laramie’ unter. Gegen 17:30 Uhr ,noch vor Einbruch der Dunkelheit, erreicht unser Boot die steil ansteigende Sandbank hinauf zum Ort. Bei Licht ist es nicht so beschwerlich. Für den nächsten Tag planen wir mit einem Speedboat den Rest der Strecke bis nach Houayxsay – dem Grenzort nach Thailand – zu bewältigen, um noch vor 18:00 Uhr einer möglichen Schließung (?) der Grenze zuvorzukommen. Mec will uns am Morgen dabei behilflich sein, ein entsprechendes Boot zu finden.

Erst einmal geht es hinauf in den Ort und dort befindet sich weiter oberhalb des Guesthouses auf der Hinfahrt das Phonethip G. . Der Unterschied zum Pak Beng Guesthouse ist, dass dieses Haus noch eine Kategorie einfacher ist: im ‚Zimmer’ herrscht nicht nur Dunkelheit, sondern auch die Innenausstattung, soweit im Halbdunkel über die geöffnete Tür zu erkennen, ist noch etwas spärlicher. Der einzige Nagel in der Bretterwand ist durch den Rucksack meiner Mitreisenden sogleich belegt... aber das Bett scheint sauber und ist mit einem Moskitonetz versehen. Die Unterkonstruktion der Aussenverbretterung ist praktischerweise nach innen nicht verkleidet und kann somit - zumindest in horizontaler Richtung – als Ablage unterschiedlicher Gegenstände genutzt werden... erst mal an die Luft!! ‚Laramie’ der Name scheint hier noch passender als auf der Hinreise.

Das Licht wird wohl aus Sparsamkeitsgründen noch eher abgestellt. Nach dem Abstellen der Generatoren unterhalten sich wie auf der Hinfahrt, zuerst die Hunde, die dann am Morgen durch diverse Hähne abgelöst werden. Aber Liegen (wach!) ist ja auch ganz schön! Für das Guesthouse gibt es aber eine! warme! Dusche und somit dusche ich dann, nachdem ein Mönch sich frisch gemacht hat, tatsächlich warm!

Am Vormittag nach einem recht guten Frühstück ist Geduld angesagt, Mec bemüht sich für uns ein Speedboat nach Houayxsay zu organisieren. Ich setze mich auf die’Veranda’ des Phonthip und male das Geschehen in der einzigen Straße des Ortes und beobachte die Vorübergehenden.

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‚Laramie’ – Pak Beng am Morgen des 19.12.08 vom Phonethip Guesthouse aus gesehen

Nachdem der Ort nun von den Touristen fast ‚entvölkert’ ist, scheint das normale Leben wieder einzukehren. Frauen kommen vom nahe gelegenen Markt und tragen eine Ente und ein Huhn kopfüber an einem Fuß am Guesthouse Richtung Anleger vorüber. Frauen der umliegenden Häuser hängen die Betten der Farang über die Geländer und Balustraden der Guesthouses. Frauen der Bergvölker (hier sind es die Hmonk) kommen mit ihren Kiepen auf dem Rücken vorüber mit Waren darin... auf dem Weg zum Anleger. Ihr Dorf befindet sich auf der gegenüberliegenden Mekongseite.

Auch unsere ‚Wirtsfrau’ hängt unsere Betten zum Lüften über die Balkonbrüstung. Ein voll beladener Lastwagen mit sechs/6!! Personen im Führerhaus lärmt am Guesthouse vorüber und wirbelt Unmengen von Staub der Straße auf die in Kunststoff verpackten Waren des gegenüberliegenden ‚Krämerladens’. Trinkwasser für die Speisezubereitung und für die Restaurants wird – wie in Thailand – von einem Wagen mit Tanks und Kanistern angeliefert. Ein junger Mann mit schwarzer Lederjacke und ‚Headset’ verschwindet im benachbarten Restaurant. Der Blick wandert die Straße und den Hang hinauf, an dem Hütten beinahe über dem Ort stehen, aus deren Schornsteine dicker Qualm steigt. Hähne, wohl ein halbes Dutzend, krähen dazu, wie in der letzten Nacht. Wir warten auf das Speedboat!

Nach längerem Warten ging es hinunter an einen Anleger, der überdacht auch gleichzeitig eine Küche birgt. Auch hier verbrachten wir zweieinhalb Stunden und beobachteten nicht nur die Fischer, die einen Plaa Bük anlandeten.

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Mekongwels von mehreren Kilo Gewicht am Anleger der Speedboats von Pak Beng am 29.12.08

Ich vertrieb mir die Zeit, eine kleine Skizze von dem Wasser und der umgebenden Landschaft vor dem Anleger und der Küche zu machen. Wie vermutet legen kurz vor unserer Abfahrt unsere ‚Mit – und Speedboatfahrer’ Hermann und Rita aus Luang Prabang kommend am ‚Küchenanleger’ an. Wir wechseln einige Sätze und dann soll es auch schon für uns losgehen. Nach Minuten der Unklarheit und Hektik bekommen wir alle Integralhelme verpasst und unser Boot legt nach dem Beladen schnell ab.

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Pak Beng der ‚Küchenanleger’ am Mekong am 29.12.08

Wir waren die einzigen Farang auf der Fahrt; die übrigen sechs Mitreisenden setzten sich aus einheimischen Laoten auf dem Weg in ihre Heimatdörfer am Mekong oder nach Houayxay oder aus Angehörigen der Bergvölker zusammen. Mehrfach legte das schnelle sehr laute Boot, das sonst mit ca. 60 Std./km den Fluss hinaufraste, an einer schwimmenden Tankstelle und verschiedenen anderen schwimmenden Haltepunkten an, um Passagiere ein- und aussteigen zu lassen. Gegen 16:30 Uhr erreichen wir nach 150 Kilometern dann doch sehr durchgerüttelt den Anleger kurz vor Houayxay. Ein Songthaew brachte uns zum Emigration Office auf der laotischen Seite. Hier ging die Abfertigung sehr schnell. Der nun nach unserer Speedboatfahrt gar nicht mehr so schnell wirkende Fährnachen mit Außenborder brachte uns auf die thailändische Seite des Mekongs. Hier brauchte ich trotz des einen Tages der Verspätung – mein Visum war am 28.12. abgelaufen - nicht nachzuzahlen... im Gegenteil, der Grenzbeamte wünschte uns stolz auf Deutsch ein ‚frohes neues Jahr’, obwohl es noch einige Tage hin war.

Die beiden Anderen trafen etwas später an unserem verabredeten Treffpunkt zum kleinen Schmaus im Ta-Mi-La Guesthouse mit Blick auf den Mekong wieder ein. Hier kauften wir auch ein helles Sesambrot – wird dort selbst gebacken - und einige Baguette-Bötchen für unser Frühstück am nächsten Morgen im Haus in Chiang Rai. Ein bestellter Kleinbus brachte uns vier dann wieder in das Häuschen in Sansai bei Chiang Rai.

Die beiden folgenden Tage waren wir damit beschäftigt, uns von der doch etwas anstrengenden Tour zu erholen, für das bevorstehende Silvesterfest und meinen Geburtstag einzukaufen und am letzten Tag in diesem Jahr 2008 mit dem Kunst- und Kuriositätenhändler Boonchai Kewsuwan in das Ban Duchanee nördlich von Chiang Rai zu fahren. Er hatte es organisiert, die Häuser, die nur zu bestimmten Zeiten geöffnet sind, für uns zugänglich zu machen, um auch in den Häusern die Exponate betrachten zu können. Ausführlich habe ich bereits auf den Tagebuchseiten 2 und 3 über das sehr ansprechende Dorf mit den über vierzig Gebäuden geschrieben. Initiiert und gestaltet wurde es von dem wohl bekanntesten noch lebenden thailändischen Künstler und Philosophen Thawaan Duchanee. Nach dem dreieinhalbstündigen Rundgang über das weiträumig und passend zu den Gebäuden gestaltete Gelände, brachte uns Boonchai wieder in die Stadt und alle deckten sich noch mit Hemden, überwiegend mit verschiedenen Ausfertigungen des ‚suea mor horm’ ein.

Am frühen Nachmittag gingen wir dann noch einmal zu Boonchais Kunst- und Kuriositätenkabinett in der Phaholyothin Road. Hier kauften die Farang unterschiedlichste Mitbringsel, Kunst- und Kuriositätengegenstände ein. Neben Boonchai und seiner Tochter bediente uns auch ein recht groß gewachsener Einheimischer, des Englischen durchaus mächtig. Er fragte mich, nachdem ich Worte des Dankes und einige Floskeln anbrachte, ob mir die Sprache leicht fiele, was ich natürlich verneinte.

Darauf gab er mir den Rat: “You have to take a black longhaired dictionary!“

Der kleine Laden war an diesem letzten Tag des Jahres sehr bevölkert, da augenscheinlich viele Touristen den Jahreswechsel bei angenehmen Sommertemperaturen in Chiang Rai verbringen. Somit hatte Boonchai alle Hände voll zu tun.

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Der Kunst- Antiquitäten- und Kuriositätenhändler Boonchai Kewsuwan aus Chiang Rai

Wir mussten uns nun sputen, noch auf dem Markt am Wat von Sansai, dem Vorort Chiang Rais Früchte, Gemüse, Gewürze und Eier einzukaufen. Zuvor hatten wir Fleisch und Baguettes bei ‚Big C’ gekauft. Für den Abend hatte ich schon vor Weihnachten (vor der Fahrt nach Luang Prabang) die Nachbarn Noht und Surya von meinem Hause gegenüber sowie Kopkun und Chamnan zu einem Silvesteressen eingeladen. Am Abend als das Essen fast fertig war, stellte sich heraus, dass Noht und Surya mit den Kindern nach Bangkok gefahren waren. Wir luden kurzerhand Silas meinen Nachbarn zur Linken aus Kamerun für den Abend dazu. Zwischen acht und neun Uhr sollte es losgehen. Das Essen zog sich hin und etwas zögerlich traf dann auch Chamnan ein. An diesem Abend probierte ich die vor zwei Tagen mit Hermann und Chamnan bei ‚Big C’ gekaufte Kamera – eine Canon Power Shot G 10, ein sehr neues (Okt.08) verbessertes Modell – aus und stelle hier eine Anzahl von Bildern zu einem Stimmungsbild zusammen.

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