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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 21, Teil 2 von 3
21. bis 27. Dezember 2008

Die ersten vierzig Kilometer kannte ich bereits von der rechten Flussseite, da ich vor über einem Monat sie ja mit Jay abgefahren hatte und sie ausschnitthaft als Einzelbilder auf Seite 18 bereits zitiert habe. Aus diesem Grunde waren diese Uferkilometer für mich fast vertraut bis zu den Stromschnellen von Khaeng Pha Dai. Danach erschloss sich die Landschaft zu beiden Seiten des zum Teil sehr wirbligen Stromes von unglaublicher Schönheit zu ja fast paradiesischer Abgeschiedenheit. Wenn Dörfer und Hütten in Sicht kamen, so bestanden die Behausungen aus Reisstrohmatten und Rohrgeflecht gefertigten Wänden mit einer Bananenblattdeckung.

Uns Touristen befällt beim hindurchfahren das wehmütige Gefühl paradiesischer Ursprünglichkeit und heiler Welt, die nun auch durch unsere Reise der sog. Zivilisation preisgegeben wird. Ein Stück schöner fast unberührter, beeindruckender Natur mit sehr schroffen Felsen, die teilweise angefüllt und verbunden mit Flusssand- und Schlamm eine weichere Note bekommen. Diese Aufspülungen reichen zum Teil bis zu acht oder gar zehn Metern hinauf, da der Strom zu Monsunzeiten sehr viel mehr Wasser führt. Dann und wann sieht man angelegte zartgrüne Pflanzungen auf dem scheinbar fruchtbaren Flussschlamm an den Hängen, der Sonne zugewandt.

An seichten Stellen waren vereinzelt Frauen damit beschäftigt Nuggets (Gold) mittels sehr großer flacher Schalenn aus dem trüb-gelben z.T. rötlichen Flusswasser und sandigen Schlamm zu waschen. Die hereinbrechende Dunkelheit, die sich hier dicht am Äquator innerhalb einer Viertelstunde vollzieht, machte den Flussschiffern zunehmend zu schaffen. Wir hatten eher das Gefühl, dass der Steuermann und Kapitän in kürzester Zeit seinen Weg durch die Dunkelheit finden wollte. Wir fragten uns nach der Installation eines Echolots... was sich erst am übernächsten Morgen in Luang Prabang aufklären sollte. Dank der speziellen flachen Bauweise haben die Mekongboote keinen großen Tiefgang. So suchte sich das Boot mit dem ohrenbetäubenden Motor in der letzten bangen Stunde im Dunklen seinen Weg durch die schroffen Felsen, die plötzlich aus der Dunkelheit auftauchten, seinen Weg nach Pak Beng, unserer nächtlichen Bleibe. Sehr viele Flusskähne lagen schon an der dunklen hohen Sanddüne, die hinauf zum Ort führte. Alles war unbeleuchtet und wir stolperten die zwanzig bis dreißig Meter der Düne mit dem Gepäck auf Rücken und Lenden steil hinauf. Ich legte mich auch gleich zwei Mal in den Sand und drohte wieder gen Boot zurück zu rutschen, da die ‚Kolonne’ vor uns im Dunkel meinte, anhalten zu müssen, um mit irgendwelchen Guesthousebesitzern oder Hotelboys ein Schwätzchen zu halten! Nachdem wir den Aufstieg geschafft hatten – der übrigens nur mit geschnürtem Rucksack zu bewältigen ist und keinesfalls mit einem Koffer – wurde uns ein Guesthouse gleich zu Beginn des Ortes angeboten: das ‚Pak Beng Guesthouse’. Schon auf dem Boot hatten uns kundige ‚Eingeborene’ von einer ‚Sperrstunde’ des elektrischen Stromes von 23:00 Uhr an berichtet. Er würde dann erst wieder nach Einbruch der Dunkelheit um 18:00 Uhr eingeschaltet. Als wir uns nach dem Erklimmen der riesigen Düne dem Ort näherten, drang uns das sonore Brummen unzähliger Dieselmotoren entgegen. Nach dem Beziehen der einfachen, aber auf den ersten Blick recht sauberen Zimmer mit Duschklo, nahmen wir im integrierten offenen Restaurant mit Terrasse im unteren Teil des Guesthouses mäßige verschiedene süßsaure Gerichte mit Stickyrice zu uns. Anschließend liefen wir durch die einzige Straße hinauf zu den weiteren Guesthouses, Hotels, Restaurants und kleinen Läden. Alles wirkt sehr angestaubt und grau und ist mit Plastikfolien abgedeckt. Die Straße ist zwar asphaltiert, weist aber neben diversen Schlaglöchern auch staubigen Schotter und Kiesbelag auf. Dazu lärmen in haus- und hüttenartigen Verschlägen die stinkenden Motoren zur Erzeugung der Energie vor sich hin. Der Ort hat keine Fernleitung und scheint nur aus dem Grunde des Zwischenstopps nach und von Luang Prabang zu existieren. Die mitreisende Freundin Margarete gibt dem Ort den Namen ‚Laramie’... vielleicht noch vielen bekannt aus der im Fernsehen laufenden amerikanischen Westernserie von NBC (1959 – 1963) ‚Am Fuß der blauen Berge’ mit Slim (Sherman) und Jess (Harper). Laramie als Postkutschenstopp in Wyoming war der Ort der Handlung dieser für uns damals sehr spannenden Westernserie. Bei Pak Beng hatte man das Gefühl eines fassadenhaften Durchgangs- und Postkutschenstopps. Es fehlten eigentlich nur noch die vom Wind durch den Ort rollenden ausgetrockneten Büsche und der harte klirrende Gang sporenbestückter Reitstiefel. In einer viertel Stunde hatten wir den Ort durchquert und konnten den Weg ‚nach Hause’ antreten, nicht um noch zuvor einen Stopp in einem netten Café auf zwei Cappucchini und zwei Latte zu machen. Wir genossen die relativ laue Nachtluft trotz der Pullover, die wir mitgenommen hatten. Um kurz vor 23:00 Uhr wurde schnell abgerechnet und hinter uns wurde das Café geschlossen. Es war viertel vor elf. Plötzlich verstummten fast alle Motoren im Ort und nur noch der Mond geleitete uns in fast stockdunkler Nacht zum Guesthouse, wo wir etwas orientierungslos im Dunklen unsere Zimmer und Betten ertasteten. Auch eine neue Erfahrung!

Am darauf folgenden Tage wurden wir gegen sechs Uhr wieder durch kurzes Aufheulen der Dieselmotoren geweckt und ich freute mich schon auf warmes Wasser... aber weit gefehlt! Beim Aufstehen – nun wieder bei Licht – erlegte ich als erstes meine fünfte Kakerlake im Zeitraum meines Asienaufenthaltes.

Es war eiskalt: und der Motorenlärm der Generatoren ließ das Badeklo erzittern, dass mich sofort die körperliche Assoziation des engen Raumes auf einem Schiff befiel. Der geflieste Boden schien unter dem Motorenlärm nachzugeben und ich suchte die schwankenden Bewegungen, die nach meiner Meinung der Raum unternahm, durch eine breitere Fußstellung und federnde Knie auszugleichen. Das war natürlich Quatsch, denn wir hatten ja noch nicht abgelegt??!

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Blick aus dem Pak Beng Guesthouse in ‚Laramie’ auf die Straße und Stände hinunter zum Fluss 24.12.08

Nach einem nicht zu schlechten Frühstück und einer Skizze von der Veranda des Pak Beng Guesthouses ging es am nächsten Morgen wieder die hohe Düne hinunter zum ‚Anleger’ und wir bestiegen ein neues Boot, nun mit noch kleineren Sitzen! in Richtung Luang Prabang mit denselben Passagieren, aber einer anderen Besatzung.

Nun sehen wir auch, welche Formen die Echolote haben und wo sie angebracht sind. Am Bug des Schiffes, quasi als Spitze, befinden sich zwei fünf bis sieben Meter lange Bambusstangen. An einer hängt die laotische Flagge... mehr in Wimpelgröße, die andere Bambusstange ist das Echolot. Mit der stakt der Bootsmann sich durch das Felsenlabyrinth.

Die weitere Fahrt gestaltete sich ähnlich wie die des Vortages, zerklüftete Felsen – z. T. Basalt – ziehen sich entlang des Stromes, der kurz nach unserer Weiterfahrt, durch kleine Stromschnellen bedingt, schäumt und sprudelt.

Die Felsen sind zu großen Teilen von großen Sand- und Schlammdünen zugeschüttet oder aber bilden eine sandig-lehmige Verbindung zu den verschiedensten Gesteinsformationen. Der zeitweise reißende Fluss hat schichtweise die aufgeschwemmten Dünen zwischen den Felsen ‚angefressen’ und tiefe, lange stufenartige Spuren hinterlassen. Die Sand- und Lehmdünen wurden somit verdichtet und in ihrer Unterschiedlichkeit der Ablagerungen und Schichtungen von Wasser und Wind wieder stufenartig abgetragen. So entstehen Reliefe, die sich entlang des Ufers ziehen, nur unterbrochen durch die steil aufragenden zerklüfteten Felsformationen. Auch auf dieser Fahrt habe ich ein längeres Leporello erstellt, das ich nun hier ausschnittartig abbilde.

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Gegen Abend, die Sonne begann schon die Felsen in ein mildes Orange zu tauchen, kommen große Felsen in Sicht. In der Nähe von Ban Pak Ou ragen scharfkantige Felsrippern aus dem Wasser und gewährten nur unserem eingeweihten Schiffer und Kapitän/Steuermann Durchlass. Pak Ou ist ein sehr schön anzusehender Kalksteinfelsen hoch über dem Wasser. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich in einen ähnlichen nicht ganz so großen Felsen gebettet, der Eingang zur ‚Tham Thing’, die wir einige Tage später dann besuchen sollten.

Gegen 17:00 Uhr erreichten wir Luang Prabang und fuhren nach einem unproblematischen Ausbooten das von mir gebuchte Ho Xieng Guesthouse. Im Vorfeld war es schwierig, eine entsprechende Unterkunft zu bekommen, denn auf Anfrage in allen in Frage kommenden Hotels wurde mir ‚Ausgebucht’ beschieden. Das Guesthouse ist sehr schön in rotbraunem Holz gearbeitet mit einem vernünftigen Bad versehen und in zentraler Lage unweit des Nightmarkets gelegen im ‚Stadtteil’ Hoxieng. Die Zimmer sind, gemessen an anderen Guesthouses, recht komfortabel. Am Heiligen Abend gingen wir dann in ein für laotische Verhältnisse recht feudales Restaurant (Weihnachtsmenu mit Fleisch, Gemüse und Stickyrice).

Luang Prabang machte auf uns einen sehr relaxten, aber auch doch sehr touristischen Eindruck. Man muss entschuldigend sagen, dass Weihnachtszeit ist und viele Farang gerne dem Fest in heimischen Gefilden fliehen, um an anderem Ort dem ‚Konsumterror’ zu entgehen. Aber dazu ist Luang Prabang nur bedingt geeignet, lädt doch der wirklich schöne Night-Market mit hübscher – ja sehr ästhetischer – Handarbeit zu moderaten Preisen gerade zum Konsum ein. Es war nicht so die Massenware, die man aus Thailand oder gar von Flohmärkten aus Deutschland kennt, sondern sehr geschmackvolle Textilien, Lampen, Schmuck, Taschen und andere Gebrauchsgegenstände.

In der Stadt Luang Prabang fand das Heiligtum des Königreiches Lane Xang und Namensgeber der Stadt, Pha Bang, seine Heimat und zog im Laufe der Jahrhunderte von Tempel zu Tempel. An diesem Orte wurden Könige gekrönt, Verträge, auch inoffizielle, geschlossen und Kriege vorbereitet und geführt. Mehrfach wurde die befestigte, aber leicht einnehmbare Stadt von den Burmesen erobert. Durch die strategisch ungünstige Lage, wurde nach Jahrhunderten Vientiane zur Hauptstadt des Laotischen Reiches erkoren. Die Stadt blieb weiterhin das Symbol für Laos. Die Geschichte wird nicht nur durch die jahrhunderte alten Pagoden, sondern durch die neuere südfranzösisch anmutende Stadtbebauung sichtbar. Alle Herrscher, aber auch die ‚Besatzer’ haben im Laufe der Jahrhunderte die Stadt und ihre Architektur geprägt. Die Stadt hat nicht ganz vierzigtausend Einwohner und wirkt durch seine menschlichen Dimensionen nicht nur überschaubar, sondern durch Pflege und Anlage der Straßenzüge und Liebe und Pflege der Anlagen sehr beschaulich. Seit über zehn Jahren ist sie in Südostasien zum absoluten Tourismusmagneten geworden, und – so wurde ich belehrt – sie ist längst kein Geheimtipp mehr! Ich konnte mich mit dem Ausspruch ‚der Weg ist das Ziel’ mit der wunderschönen Mekongtour trösten. Nun war auch gerade durch das Weihnachtsfest die Stadt sowieso im Saisonfieber und mit vielen unwilligen Weihnachtsfeierern überfüllt.

Ich machte mich am ersten Morgen nach dem Aufwachen gleich an den Fluss, um einen Blick zum Tee zu genießen und zu malen.

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Der Mekong vor Luang Prabang in Laos. Blick von einem Café auf dem linken Flussufer. 25.12.08

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