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Fernöstliches Tagebuch

von Helmut Rieländer

Seite 20
14. bis 20. Dezember 2008

Diese Seite ist nun die letzte Tagebuchseite in diesem Kalenderjahr 2008 und gleichzeitig die ‚Halbzeit’ meines Aufenthaltes hier im Fernen Osten. Ich habe mich fast ausschließlich - abgesehen von einem eintägigen Besuch in Myanmar in der Grenzstadt Tachilek - in Thailand aufgehalten und habe den Norden, den Nordosten und Zentralthailand bereist. Somit plane ich für die zweite Hälfte weitere Teile des Fernen Ostens zu bereisen. Dazu aber später.

In dieser Woche habe ich mich sehr weiteren Aufzeichnungen, Skizzen und der Malerei gewidmet. Auch wurde die Wohnung weiter vervollkommnet, sodass nun nicht nur die entworfene Rattan-Weidenkonstruktion der Sitzecke gefertigt wurde, sondern auch ein Couchtisch von einem Tischler hergestellt wurde und von OTOP ein rundes Beistelltischchen hinzukommen soll. Auch wurden die ersten Bilder gehängt und verleihen der Wohnung zunehmend wohnlichen Charakter.

Den großen sehr langen Raum( 2,90 x 8,75m mit einem Erker zu Küche und Bad = fast 26 qm) habe ich versucht, durch drei Zonen zu gliedern. Im hellsten Bereich, dicht an der Eingangstür gelegen, befindet sich ein Arbeitsbereich mit Tisch und Notebook und einer natürlichen Belichtung von vorn und von links.

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Hier entstehen die Tagebuchseiten mit Blick auf den kleinen überdachten Vorplatz (Fahrradunterstand) und dem Tor zur Straße. 18.12.08

Gegenüber des Arbeitstisches befindet sich eine kleine Atelierecke. Sie ist nach Osten ausgerichtet und ich kann die teilverglaste Tür zur Terrasse öffnen und habe somit gutes Licht durch zwei Fenster und die Tür. Auf der Staffelei steht immer noch das ‚Fenster zum Mekong’ und wartet auf seine Fertigstellung.

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Atelierbereich vor der Tür mit fast fertigen und begonnenen Arbeiten. 19.12.08

Bedingt durch die Lichtverhältnisse sind die beiden Arbeitsmöglichkeiten in das vordere, helle Drittel des Raumes gerückt. Das hintere Drittel des Raumes ist durch einen Paravent abgeteilt, um nicht nur die Sitzecke vor Vorübergehenden oder Hereinkommenden abzuschirmen, sondern auch ihn so gliedert, sodass der hintere Teil nun zu einer Einheit wird und eine unmittelbare Verbindung zu den übrigen Wohnbereichen, Küche, Bad und beide Schlafzimmer gegeben ist.

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Foto der Sitzecke durch einen Paravent abgeteilt

Im Zentrum des Raumes vor dem Paravent befindet sich ein großer Esstisch für sechs bis acht Personen. Wenn die Wohnung fertig ist, kann ich wieder nach Hause fahren!

Rückblickend auf die vergangenen fünf Monate meiner Anwesenheit hier in Thailand habe ich unglaublich viel erlebt, viele Eindrücke in Wort und Bild versucht fest zu halten, einzuordnen und sie als Reise- und Bildfundus mit nach Hause zu nehmen. Weit über zweihundert Skizzen, Zeichnungen und Bilder auf Leinwand sind bisher entstanden. Ein sehr großer Teil ist in diesem Tagebuch verarbeitet worden. Über dreitausend Fotos, von denen vielleicht ein paar Dutzend zu gebrauchen sind und viele, viele Bilder im Kopf .... und erste begonnene Arbeiten, wie auf dem zweiten Bild hier auf der Seite zu sehen. Die Erlebnispalette ist riesig! Sie reicht vom ‚Museums- und Kunstmuseumsdorf Ban Duchanee’ bei Chiang Rai über die alte Stadt Sukhothai, Lampang, die beiden Mekongtouren, die Khmerstadt Phimai, die Höhenzüge des wunderschönen Doi Mae Salong und das erstaunlich interessante Nan – alles Orte, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Und erst knapp die Hälfte der Zeit ‚ist um’. Kambodscha, Vietnam und Laos warten noch auf mich. Am 21. Januar werde ich von hier nach Chiang Mai aufbrechen, um ein Flugzeug am darauf folgenden Morgen nach Bangkok zu bekommen. Am selben Tage geht es dann von dort aus weiter mit dem Flugzeug nach Siem Reap, um mir dort für fünf Tage Ankor Wat anzuschauen. Danach geht es weiter nach Saigon/Ho Chi Minh City. Nach einigen Tagen der Stadterkundung und des Mekongdeltas geht es dann mit dem Zug parallel zum Südchinesischen Meer mit einigen Zwischenstationen nach Hanoi. Nach Tagen der Erkundung und der Entspannung soll es dann per Flugzeug nach Vientiane, der Hauptstadt von Laos, gehen. Von dort möchte ich die Mekongtour flussabwärts auf der laotischen Seite bis in die Gegend von Champasak/ Wat Phou machen. Dort werde ich voraussichtlich zwei bis drei Wochen die Ruhe am Mekong genießen, um dann um den 20. März wieder nach Thailand einzureisen. Ich möchte eigentlich noch den fehlenden, von mir noch nicht bereisten Teil des Mekongs anschauen. Gegen Ende März werde ich mich dann wieder auf dem ‚Heimweg’ nach Chiang Rai befinden. Die letzten sieben Wochen werde ich das Gesehene mit den unterschiedlichen Medien be- und verarbeiten. Ich habe auch vor, mein Notebook auf die Tour durch die drei Länder mitzunehmen, um weiterhin immer an jedem Samstag zu berichten. Mein geplanter und gebuchter Rückflug nach Deutschland geht am 19.Mai ab Bangkok am späten Abend.

Aber noch bin ich hier in Chiang Rai und möchte die Gegenwart und die letzten Tage und Wochen verarbeiten. Insgesamt muss ich feststellen, dass ich die erste Hälfte meiner Reise hierher und durch das Königreich sehr genossen habe. Die Menschen sind alle sehr freundlich und hilfsbereit. Das ist mir besonders hier im Norden positiv aufgefallen. Auch feiern die Thailänderinnen und Thailänder recht gern und der Kalender sieht ja diesbezüglich diverse Feiertage und Feste vor. Feste spielen im Leben der Thais eine wichtige Rolle. Der Buddhismus sieht kein Wochenende vor. Das Wochenende ist zwar für die meisten arbeitenden Menschen frei, aber z.B. Supermärkte haben geöffnet und ich stelle am Sonntagmorgen den Müll vor die Tür, da zwischen 13 und 14:00 Uhr die Müllabfuhr kommt. Ämter, Banken und alle Behörden schließen wie bei uns am Freitagmittag. Aber das Wochenende wird nicht aus religiösen Gründen begangen, sondern es ist einfach frei! Darüber hinaus gibt es die besagten Feste über das Jahr. Es sind so ungefähr 19 Feste und Festtage! Nicht alle sind freie Tage, aber fast alle. Seit meiner Ankunft am 2. August des Jahres wurden bereits sechs Feste gefeiert oder Festtage begangen. Bei diesen Feiern spielen nicht nur buddhistische Feiertage eine Rolle, sondern auch alle wichtigen Tage, die mit dem Königshaus und dem Geschlecht der Chakri (-Dynastie), aus der auch der jetzige König Bhumipol Adulyadej, Rama 9 entstammt.

Kaum war ich zehn Tage hier, wurde schon der Geburtstag von Königin Sirikit (12.8.) gefeiert. Dieser Tag gilt auch gleichzeitig als Muttertag (wan mä). An diesem Tage waren viele öffentliche Gebäude mit Porträts der Königin und mit Lichterketten – wie jetzt zu Weihnachten für die Touristen - geschmückt.

Im Oktober eineinhalb Monate später wird Ok Phasa gefeiert. Es ist die Erinnerung an Buddhas Rückkehr aus dem Himmel, nachdem er dort eine Fastenperiode (khao phansa) - die im Juli mit dem Vollmondtag Asanha Puja (erste Predigt Buddhas vor seinen ersten fünf Schülern) begonnen hatte – lang gepredigt hatte. Im selben Monat wird am Chulalongkorn (-Day), dem Tod des Königs Rama dem Fünften gedacht.

Gut in Erinnerung ist mir das Loy Krathongfest, in einer Vollmondnacht im Oktober (siehe auch Tagebuchseite 15). In diesem Jahr fiel das Fest auf den 11. -13. Oktober. Die meisten thailändischen Feste richten sich nach dem Mondkalender. Aus diesem Grunde liegen sie Jahr für Jahr an unterschiedlichen Tagen. Auf der letzten und vorletzten Seite bin ich schon intensiv auf den Geburtstag des Königs Bhumipol am 5. Dezember eingegangen. Er ist an diesem Tage vor 82 Jahren an einem Montag geboren. Dieser Tag des Königs wird in Thailand auch gleichzeitig als Vatertag begangen. Als ich am 5. dieses Monats die Asienstreet 2/ den Highway 1 Richtung Stadt mit dem Fahrrad befuhr, bemerkte ich auf dem breiten, zumeist tiefer liegenden Mittelstreifen, die dichte Beflaggung mit hunderten von thailändischen Fahnen. Ebenso waren an diesem Tage Privathäuser, Geschäfte, Büros und öffentliche Gebäude beflaggt. Fünf Tage später ist wieder für Betriebe und Schulen frei: es wird die Konstitution Thailands gefeiert. Ebenso wird am letzten Tag im Jahr, dem 31. Dezember, nicht gearbeitet - bis auf diverse Geschäfte und Märkte, die an diesem Tage natürlich nicht geschlossen sind. Das gilt nicht für den ersten Tag im neuen Jahre – da haben so gut wie alle Geschäfte geschlossen (öffentliche Verkehrsmittel fahren). Der erste Januar ist ein offizieller Feiertag.

Zum Jahreswechsel ist zu bemerken, dass die Thailänder diese beiden Tage ruhig und beschaulich begehen. Es wird so gut wie nicht geknallt und nur tausende von Kham Fai (Heißluftkörper aus Papier, die von dem antreibenden Feuer erleuchtet werden) lässt man aus diesem Anlass in den nächtlichen Himmel steigen. Das würden auch Leute in Deutschland sehr genießen anstatt der Knallerei (ich denke da an eine bestimmte mir bekannte Person! R.). Die Thais rufen dann den westlichen Touristen ein „sawatdi pimai!“ zu (frohes neues Jahr). Das eigentliche thailändische Neujahrsfest ist im April.

Am Vollmondtag im Februar wird hier Makha Puja gefeiert. Anlass ist die Rede Buddhas vor 1250 ‚Jüngern’. Der Tag ist ein buddhistischer Feiertag, der abends mit einer feierlichen Kerzen-Prozession um alle Tempel im Lande begangen wird. Im selben Monat Februar ist auch der Beginn der Drachenflug-Saison, die bis in den April und Mai dauert. Es werden richtig große Meisterschaften ausgetragen (z.B. in Bangkok auf dem Sanam Luang, einem Stadtteil und einem großen Park).

„Im März findet in Nakhon Chaisi im Wat Bang Phra, nicht weit von Bangkok entfernt, ein bizarres Fest statt. Thailands Kleinganoven und Mafiosi lassen sich von den Mönchen des Wats magische Schutzsprüche auf die Haut tätowieren. Schutzsprüche werden in der Khmer Schrift mit langen Stahlnadeln in die Haut geklopft. Gottheiten und Tiermotive sind auch beliebt. Einige der Tätowierten fallen in eine ziemlich wilde Trance, in der sie Eigenschaften der Schutztiere annehmen. Das Fest findet am Morgen des zweiten Samstages des Monats statt und Besucher sind willkommen. Auch sonst wird in diesem Wat täglich tätowiert.“ (aus: Rack, R. a.a.O. Seite 168)

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Abendstimmung im chinesischen Viertel vor dem großen Teeladen in Chiang Rai 17.12.08

Am 6. April ist der Chakri Tag, an dem an die Chakri – Dynastie, aus der auch der jetzige König Bhumipol stammt, erinnert wird (auch ein gesetzlicher Feiertag). Am 13. April wird nun endlich der Songkran begangen, das Neujahrsfest der Thailänder. An diesem Tage sollte man sich nicht nur in Acht nehmen, sondern möglichst mit alter Kleidung auf die Straße gehen, denn die Thailänder bespritzen sich an diesem Tage mit gefärbtem Wasser, meist mittels großen Wasser-Pumpguns (Wasserpistolen besonderer Größe) oder mit Farbpulver. Ausländer sind an diesen Tagen beliebte Zielscheiben bei diesen Wasserspritzaktionen. Das Songkran-Fest ähnelt sehr dem indischen Frühlingsfest Holi. Songkran stamm von sankranti (aus dem Sanskrit) und bedeutet „Überwechseln in ein anderes Tierkreiszeichen “.

Die „Zeremonie des Pflügens“ (Thai: räk pakwan) im Mai wird von Brahmanen-Priestern, die für alle königlichen Zeremonien zuständig sind, bestimmt. Es ist der Beginn der Pflanz-Saison, die durch geheiligte Ochsen zu einer rituellen Pflugzeremonie genutzt werden. Es werden anschließend geheiligte Körner gepflanzt und die Brahmanen geben Prophezeiungen zur kommenden Ernte zum Besten.

Der 1. Mai ist wie in den meisten Ländern auf diesem Erdenballe der Tag der arbeitenden Menschen und vier Tage später wird am Coronation Day der Krönung des gegenwärtigen Königs gedacht. Auch auf den Monat Mai fällt auf einen Vollmondtag Visakha Puja. Dieser Feiertag ist der wichtigste buddhistische Feiertag. Es wird Buddhas Geburt, Erleuchtung und Todestag gedacht. Auch dieser Tag klingt mit einer Kerzenprozession an den Tempeln aus.

In diesem Monat findet in einigen Städten des Nordostens des Landes das Raketen-Fest statt. Riesige Raketen werden in den Himmel geschossen, um im trockenen Issaan – unter reichlichem Alkoholgenuss – die Regenzeit einzuläuten.

Ich schließe meinen Feiertagkalender mit dem zu Beginn erwähntem Asanha Punja . Es ist nicht bei den fünf Schülern, die Buddha lauschten, wie wir wissen, geblieben! Der Tag ist der Beginn von khao phansa, der dreimonatigen Fastenperiode und Meditationszeit der Mönche.

Bisher habe ich sechs dieser Feste und Festtage erlebt... bewusst waren es nur fünf. Natürlich ist an diesen Tagen schulfrei und die Menschen müssen nicht arbeiten! Die besondere Regel gilt: fällt ein Feiertag auf einen Samstag oder Sonntag, so ist der erste Wochentag danach arbeitsfrei! Diese Tage werden, ähnlich wie bei uns, entweder mit großer Andacht, oder aber einzelne auch feuchtfröhlich begangen.

Die Thais an sich sind sehr rituell eingestellt. Rituelle Handlungen sind wichtig (siehe auch Tagebuchseite 3 über die Geisterhäuser). So beobachte ich manchmal meine Nachbarn, wie sie bevor sie aus dem Haus gehen, vor oder in ihre ‚Geisterhäuser’ noch Essen und frisches Wasser bereitstellen.

Rituelles beginnt eigentlich schon beim Betreten des Hauses: man sollte nie auf die Schwelle des Hauses treten, sondern immer über die Schwelle hinweg, um nicht die Geister des Hauses zu stören.

Am Haus sollte man keine Frangipani-Bäume pflanzen! Der Grund ist: die thailändische Bezeichnung für Frangipani ist lantom, und das ist dem rantom (r = l) sehr ähnlich und Rantom bedeutet gebrochenes Herz.

Es wird auch gesagt, dass das hindurch kriechen unter einer Wäscheleine Unglück bringt! Die Begründung hierfür ist, dass der Kopf (siehe auch Tagebuchseite 19), der in der Hierarchie der Körperteile am höchsten stehend, sollte sich nicht unter Wäscheteilen befinden, die eventuell an ‚unreinen’ Körperteilen getragen werden (z.B. Strümpfe).

Ein Mädchen, das beim Gehen ungraziös trampelt, beleidigt dadurch Thorani, die Mutter der Erde (mit diesem Argument bekommen Thai-Mütter ihre Töchter dazu, sich einen eleganten Gang an zu gewöhnen).

Schwangere Frauen, so wird in Thailand gesagt, sollen unter dem Bauch eines stehenden Elefanten hindurch kriechen, das bringt Glück! In Bangkok wurden bis zum Jahre 1995 zu diesem Zweck Elefanten in der Stadt gesichtet. Es wurde dann wegen des entstehenden Verkehrschaos bei 500 Baht Strafe untersagt.

Und betritt dann die schwangere Frau, die eben noch unter dem Bauch des Elefanten hindurch gekrochen ist, als Erste am Morgen ein Geschäft, so wird sich das positiv auf die Kassenbilanz am Abend auswirken (ein fruchtbarer Bauch = gutes Omen für einen erfolgreichen Arbeitstag)!

Als na-gliet – das heißt ‚hässlich’ - sollten kleine Kinder bezeichnet werden! Würden sie als besonders hübsch bezeichnet, könnten die Geister auf sie aufmerksam werden und sie peinigen!

Wird ein Kind krank, sollte es rituell von einem verehrten Mönch, einer Buddha-Statue oder einer Götterfigur ‚adoptiert’ werden. Es soll die bösen Geister, die Besitz vom Körper des Kindes genommen haben, bewegen, sich zurück zu ziehen. Die leidenden Eltern dürfen aber daraufhin das Kind nicht mehr schlagen, sonst kommen die Geister zurück.

Laut soll es bei einer beginnenden Sonnenfinsternis zugehen: jeder solle mittels Kochtopf oder Schüssel möglichst laut Radau schlagen! Besonders auf dem Lande wird geglaubt, dass der Dämon Rahu die Sonne verschlucken will, und dass der erzeugte Lärm ihn daran hindern wird. Erstaunlicherweise lässt nach dem Lärmen der Dämon dann tatsächlich von der Sonne ab!

Wenn man Unterschriften leisten muss, sollte das niemals mit einem roten Stift geschehen, es würde einem eigenen Todesurteil gleich kommen! In Thailand beschriften die Bestattungsunternehmen die später zu verbrennenden Särge, die in der Regel weiß sind, mit dem Namen des Toten in roter Farbe!

Alle diese ‚Regeln’ des Glaubens und Aberglaubens sind über die Jahrhunderte überliefert und gelten für die jüngeren Generationen zunehmend weniger. So habe ich am letzten Mittwoch die Probe aufs Exempel gemacht, indem ich zu einem Friseur in der Innenstadt von Chiang Rai in der Phaholyothin Road, gegenüber dem Eingang zum Night Market, geradelt bin. Die Regel besagt:

„ Lasse dir nie die Haare an einem Mittwoch schneiden, das bringt Unglück!“ Angeblich sollen die Friseurläden besonders auf dem flachen Land geschlossen haben. Den Tipp für diesen Friseur hatte ich von Chamnan bekommen.

Als die Arbeit des netten, gewissenhaften Friseurs getan war, er hat mir das Resthaar recht kurz geschnitten – fast so perfekt wie meine liebe Friseurin in der ‚Heimat’, die ich hiermit auch gleichzeitig grüßen möchte – fragte ich einen jüngeren Kollegen, der des Englischen mächtig ist, nach diesem ‚Glauben’ des nicht Haareschneidens an einem Mittwoch und der Herkunft dieser ‚Regel’. Er war erst einmal überrascht über diese Frage eines Farang und tat unwissend. Ich wäre der erste Ausländer, der ihm diese Frage gestellt hätte. Ja, sagte er nach einigem Zieren, bei den älteren Leuten gelte diese Regel noch, aber bei Jüngeren spiele sie keine Rolle mehr, ‚Sie sehen ja, ich habe geöffnet!’. Er freute sich aber ob der Nachfrage und weshalb ich das wisse. Er schrieb sich nach dem Gespräch und des Bezahlens des Schnittes (60 Baht = 1,20€) die Adresse meiner Homepage auf und verabschiedete sich sehr freundlich.

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Frisör in der Phaholyothin Road in Chiang Rai, bei dem ich mir am vergangenen Mittwoch! die Haare habe schneiden lassen.

Um zum Frisör in die Innenstadt zu kommen, musste ich wie immer die A2 (Asian-Highway und Verbindung zwischen China und Malaysia) und Highway 1 Richtung Chiang Rai radeln. Nach ca. eineinhalb Kilometern plötzlich eine Fahrwegumleitung, in eine Nebenstraße. An der nächsten Straßenkreuzung stehen LKW und Pickups quer zur Fahrbahn und versperren die Durchfahrt für alle vierrädrigen Gefährte. Ich komme mit dem Rad durch und frage eine Polizistin nach der Ursache der Sperrung. Auf Englisch versucht sie mir verstehen zu geben, dass es Reis- und Maisbauern wären, die sich für ihre gelieferten Feldfrüchte durch die Regierung nicht richtig ausgezahlt fühlen. Chamnan hat es später bestätigt und hinzugefügt, dass sich nun die gerade in Bildung befindliche Regierung bewähren müsste. Er persönlich gebe der neuen Regierung unter dem Premier Abhisit Vejjajva nicht mehr als drei Monate.

Die in Deutschland wohl informierten politisch interessierten Kreise haben längst vernommen, dass Thailand einen neuen Premier hat. Er wurde nach monatelangen Auseinandersetzungen, die Anfang des Monats in der Besetzung der beiden Bangkoker Flughäfen gipfelte, vom thailändischen Parlament gewählt. Damit haben sich die ‚alten Eliten’, die sich seit Jahren gegen die ehemals von Thaksin gelenkte PPP – beziehungsweise der vorherigen Partei TRT – und ihre Koalitionspartner wendeten, endgültig durchgesetzt. Das Parlament wählte den bisherigen Oppositionsführer Abhisit Vejjajva von der (liberalen) Demokratischen Partei (DP). Er erhielt am vorletzten Montag (15.12.) die notwendige Mehrheit, gestützt von ehemaligen Koalitionären der Thaksin-, Samak- und Somchai-Regierung.

Abhisit ist nun der dritte Regierungschef, den ich während meiner viereinhalb monatigen Anwesenheit hier erlebe! Es hat sehr viele Auseinandersetzungen in Bangkok gegeben, von denen aber das übrige Land, so scheint es mir, unbeeindruckt blieb und nur über die Medien hat man Kenntnis genommen.

Wie kam es nun zu diesem Wechsel und Umschwung? Wen haben die Thais denn nun zum Regierungschef?

Thailand wurde nach der Verurteilung der Somchai-Regierung wegen Wahlbetrugs von einer Übergangsregierung regiert. Die neue Regierung war sich schon im Vorfeld sicher, dass sie mindestens 250 der 447 Abgeordneten auf ihre Seite ziehen würde. Die SZ ließ verlauten, dass es Gerüchte geben würde, dass das Militär angeblich im Hintergrund mitgeholfen haben soll. Die ganze Entwicklung wirkte sich nun auf die PAD beschwichtigend aus, rief aber die regierungstreuen Anhänger der gestürzten Somchai-Regierung auf den Plan, die ihrerseits begannen, nun Teile des Regierungsviertels zu besetzen. Es wurde aber zuvor alles abgeschirmt, sodass es nicht zu neuerlichen Auseinandersetzungen kam.

Abhisit erhielt bei der Abstimmung am vorletzten Montag die Unterstützung von 235 Abgeordneten und überschritt somit die Anzahl von 220 erforderlichen Stimmen. Die Demokratische Partei des 44-jährigen „handsome man from England“ (in GB geboren), hat an der Oxford University Philosophie studiert und wurde zum Politikwissenschaftler ausgebildet. Er war dann als Uni-Professor tätig und gilt als Liberaler. Sein Auftreten wird als smart, uncharismatisch und etwas elitär bezeichnet. Er hatte sich im Vorfeld der Wahlen mit kleinen Parteien zusammengeschlossen, um einen Machtwechsel herbeizuführen.

Abhisits Gegenkandidat Pracha Promnog erhielt laut der offiziellen Auszählung 198 Stimmen. Pracha war von den Anhängern der inzwischen verbotenen ‚Partei der Volksmacht’ (PPP) Somchais aufgestellt worden. Der bisherige Regierungschef Somchai war Anfang Dezember vom Verfassungsgericht zum Rücktritt gezwungen worden. Die Oppostion sah in ihm einen Handlanger seines Schwagers, den im britischen ‚Exil’ lebenden früheren Regierungschef Thaksin Shinawatra.

Zuvor hatte bereits im September Regierungschef Samak Sundarajev sein Amt aufgeben müssen. Das Verfassungsgericht hatte Samak nach rund sieben Monaten an der Macht wegen seiner bezahlten Nebentätigkeit als Fernsehkoch zum Rücktritt gezwungen.

Ich möchte zum Abschluss dieses Politkapitels noch einmal das Bild, was ich zu diesem Thema gemalt habe, abbilden und erklären.

Es trägt den Titel ‚Thailand im Sommer/Herbst 2008’ und ist 90 x 70 cm mit Acryl auf Leinwand gemalt.

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Thailand im Sommer/Herbst 2008 Acryl auf Leinwand 90 x 70 cm / 10.08

Zu dem Abgebildeten und dessen Hintergründe. In Leserichtung (links nach rechts) ist die ‚Königsriege’ (blaue und gelbe Hemden) abgebildet. In der Mitte befindet sich die damalige Regierung der PPP(Blau, Weiß und Rot mit dem ‚W’ (‚phopan’ in der Mitte) und ihren Koalitionären dahinter. Der geschasste Premier Samak (September 08) liegt am Boden. Die rechte Stange ist mit Hemden der Opposition - vornweg der Demokratischen Partei (DP) von Abhisit Vejjajivia - behängt. Ganz rechts hinter dem Zaun (‚Zaungäste’) ist die zum Trocknen aufgehängte Uniform der Militärs zu sehen.

Nun ‚hat man’ die ‚rechte Riege’ zur Regierungsbildung gebeten: ist es eine Lösung des Problems??

Ich habe das Bild Mitte Oktober gemalt ... und es hat immer noch seine Gültigkeit, trotz scheinbarer veränderter politischer Situation. -

Aber wir haben ja auch Weihnachtszeit und die Thailänder geben sich alle Mühe, es den Touristen so heimelig wie möglich zu machen. Vor diesem Hintergrund ist auch die weitere massivere festliche Aufrüstung vor dem Einkaufszentrum ‚Big C’ am Rande von Chiang Rai zu interpretieren.

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‚Weihnachtszauber auf der Zufahrt von ‚Big C’ in Chiang Rai an der A2 / Highway 1 Dez.2008

In Anbetracht des ‚frohen Festes’ und der bevorstehenden größeren Reise ins entfernte Kambodscha, Vietnam und Laos verknüpft sich ein Wunsch, den ich mir Anfang des Jahres oder im März nach meiner Rückkehr nach Chiang Rai selber erfüllen möchte, mit einem Vietnamesischen Märchen, das vielleicht dem einen oder anderen Kollegen/Kollegin schmunzeln bereiten wird.

Geschneiderte Maßanzüge kosten hier nur einen Bruchteil von dem, was man in Deutschland dafür zahlen müsste. In ‚der Heimat’ würde ich nicht auf die Idee kommen, so etwas herstellen zu lassen. Aber hier scheint es erschwinglich.

Außerdem habe ich mir angewöhnt, in Vorbereitung auf neu zu bereisende Orte und Länder mich auch literarisch entsprechend einzustimmen. Im Regal zu Hause fand ich ein uraltes dünnes Märchenbändchen, dass ich nun kurz vor meiner Reise u.a. auch nach Vietnam wieder nach Jahren abends hier gelesen habe. Ich möchte Reise und meinen Herzenswunsch am Schluss mit diesem Vietnamesische Märchen verknüpfen. Das Märchen ‚ Der Schneider und der Mandarin ’, niedergeschrieben von Pham Duy Khiêm (Ffm 1968 Seite 27) geht folgendermaßen:

>Wegen seiner Geschicklichkeit war er der bekannteste Schneider der Hauptstadt. Jedes Gewand aus seinen Händen stand den Kunden vortrefflich, gleich welcher Gestalt und welchen Alters sie waren.

Eines Tages ließ ihn ein Mandarin <(ein Mandarin war so etwas wie ein Minister des Kaisers, der Tagebuchschreiber)> rufen, um sich von ihm eine Zeremonientracht anfertigen zu lassen.

Nachdem der Schneider die Maße genommen hatte, fragte er den Mandarin ehrerbietig, wie viel Jahre er schon im Amt sei.

„Was hat denn das mit dem Schnitt meines Gewandes zu tun?“ fragte gutgelaunt der Mandarin.

„ Es hat viel damit zu tun “, antwortete der Schneider. „ Ihr wisst, dass ein eben ernannter Mandarin, ganz von seiner Bedeutung überzeugt, den Kopf hoch trägt und die Brust voller Stolz vorwölbt. Wir müssen damit rechnen und die Rückenfläche kürzer schneiden als die Vorderfläche. Später vermindern wir nach und nach die Unausgeglichenheit von Rücken- und Vorderteil. Wenn der Mandarin die Mitte seiner Laufbahn erreicht hat, sind sie ungefähr von gleicher Länge. Zuletzt, wenn er gebückt ist vom langen Dienst und der Last der Jahre, trachtet er nur noch, mit seinen Ahnen wieder im Himmel vereinigt zu werden, und sein Gewand muss hinten länger sein als vorn.

Darum kann ein Schneider Mandarine nicht passend kleiden, wenn er ihr Dienstalter nicht kennt.“<

Ich wünsche allen Lesern des Tagebuches angenehme und entspannte Weihnachtstage und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2009.

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Der Clocktower in Chiang Rai zum Jahresausklang

Ich werde um die Jahreswende im Häuschen in Chiang Rai mit meinem Besuch und Nachbarn feiern und melde mich im neuen Jahr am 10. Januar an dieser Stelle wieder mit drei neuen Seiten über die Fahrt auf dem Mekong, die fantastische Stadt Luang Prabang in Laos und wie ich/wir Silvester und den Anfang des neuen Jahres begangen habe(n).

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