Fernöstliches Tagebuch
von Helmut Rieländer
Seite 16
16. bis 22. November 2008
Zu Beginn der Seite 16 ein kleiner visueller Nachtrag.
Ich habe doch noch einmal versucht, die Prächtigkeit des Umzuges durch die Innenstadt von Chiang Rai anlässlich des Loy Krathong Festes am Donnerstagabend (13.11.) am Beispiel eines beleuchteten Festwagens zu demonstrieren.
Umzug anlässlich des Loy Krathong Festes in der Innenstadt von Chiang Rai am 13.11.08 / Farbskizze nach einem Foto 14.11.08
Am darauf folgenden Freitag war ich gerade damit beschäftigt, meine 15. Seite für das ‚Fernöstliche Tagebuch’ in meinem kleinen Häuschen am Rande von Chiang Rai fertig zu stellen, als ein kleiner Lastwagen (Pickup) vor der ‚Veranda’ des Hauses hält. Auf der Ladefläche liegt ein Sportfahrrad und neben dem Fahrer steigt Christian aus Montreuil sons Bois bei Paris – meine Bekanntschaft aus Phimai (‚Karl Dall’) - aus. Wir hatten vor Abfahrt der in unterschiedliche Richtungen vom Busbahnhof in Korat verlaufenden Fahrten zuvor unsere Adressen ausgetauscht. Leider war ihm beim Transport des Zettels die Telefonnummer ‚verlaufen’...- so war er gleich direkt mit LKW und Rad erschienen. Ich war etwas in der Zwickmühle, wollte ich doch rechtzeitig die Tagebuchseite 15 ins Netz gestellt bekommen. Ich schlug ihm vor, das in der Nähe liegende Wat Rong Khun – etwa sechs Kilometer entfernt - mit dem Fahrrad zu besuchen. So begleitete ich ihn ein Stück des Weges in Richtung des Wat, die über die Reisfelder südwestlich von Chiang Rai führt, um ihm den richtigen Weg zu zeigen. Die Felder machten, nachdem ich sie wochenlang nicht gesehen hatte, einen völlig veränderten Eindruck.
Wie hatte Chamnan auf der Fahrt nach Nan am 23. September bemerkt: "In zwei Monaten wird geerntet! Danach ist alles braun." Viele Felder sind in der Zwischenzeit abgeerntet worden oder aber goldgelb gefärbt. Einen Teil der sonst wogenden Halme hat in großen Flächen der Wind niedergedrückt oder aber schwere Regenfälle – wie vor einer Woche im Issaan – haben nicht nur die Felder unter Wasser gesetzt, sondern auch ganze Teile der Felder flach gelegt. Überall sieht man Feldarbeiter und Arbeiterinnen, die damit beschäftigt sind, mit Sicheln die Halme abzumähen und sie gebündelt auf die gekappten Halme der nun geschnittenen Reispflanzen zu legen.
Ernte von Hand südwestlich von Chiang Rai 14.11.08
In der Ferne hört man das tiefe Brummen einer schweren Erntemaschine. Sie begegnet uns später und ist mit schweren stählernen Raupenketten wie ein Panzer ausgerüstet. Überall sieht man entweder die Feldarbeiter beim Mähen beschäftigt, oder aber es wehen noch die goldgelben Ähren der Reisfrüchte.
Ich begleite Christian noch einige Kilometer in Richtung Wat, um ihn an einer Straßenkreuzung die letzten Kilometer alleine zurücklegen zu lassen.
Nach der Fertigstellung der Seite fuhr ich dann mit ihm am Abend nach seiner Rückkehr vom Wat zum Essen in die Innenstadt in die Nähe seines Guesthouses. Am nächsten Mittag geht sein Flugzeug von Bangkok aus wieder nach Paris.
Auf der Heimfahrt beschließe ich, nachdem mich die Erntearbeiten an den reifen Reisfeldern doch fasziniert haben, die Mekongbilder noch etwas zurückzustellen und mich in dieser Woche dem Reis zu widmen.
Die Pflanze hat mich von Anbeginn meiner Anwesenheit hier in Thailand beeindruckt und interessiert.
Junge Reispflanzen nordöstlich von Chiang Rai in Ban Rong Than 10.08.
Der Reisanbau ist wohl die arbeitsintensivste aller landwirtschaftlichen Kulturen. Sie ist aber auch gleichzeitig die ergiebigste Art des Getreideanbaus: Reis ernährt auf einer gleich großen Fläche etwa viermal so viele Menschen wie Weizen.
‚Eine heutige Reispflanze – zur Familie der Süßgräser gehörend und in verwandtschaftlichem Verhältnis zu Weizen, Roggen, Gerste und Mais stehend – bildet etwa 30 Stängel aus, die 50 – 160 cm hoch werden. Der überhängende Blütenstand des Reis besteht aus einer Rispe, die etwa 80 – 100 Körner enthalten. Eine Reispflanze kann demnach bis zu 3000 Reiskörner produzieren. Die Ursprungsform des Reis, der wilde Reis kam in tropischem und subtropischem Klima in Feuchtgebieten vor. Reis wird heute meist als Nassreis angebaut. Aus seiner Ursprungsform entwickelten sich im Zuge der Domestizierung die unterschiedlichsten Sorten. Reis ist das Hauptnahrungsmittel von über 50% der Menschheit, in Asien sind es 80 %. Anders als Mais, der auch viel in der Viehzucht eingesetzt wird, findet Reis fast ausschließlich als Nahrungsmittel des Menschen seine Verwendung.’ (Übersee-Museum Bremen)
Hier einige Reissorten und ihre Anbaugebiete: Arborio-Reis (Italien/Poebene), Bassein-Reis (Südostasien/auch Thailand), Basmati-Reis (am Fuße des Himalaya), Rangoon-Reis (Myanmar), Java-und Lombok-Reis (Java, Lombok), Patna-Reis (Indien), Japan-Reis (Japan, Ägypten, Spanien, Italien).
In Japan aber auch in anderen asiatischen Ländern dient der Reis auch zur Herstellung von Reiswein und Schnaps. Eine Besonderheit, was Geschmack und Qualität angeht, ist der Siam-Reis (Nordthailand, Vietnam, Italien = Duftreis der nach Jasmin ‚schmeckt’ - besser duftet).
Thailand ist mit 27 Millionen Tonnen der sechsgrößte Reisproduzent der Welt (hinter China, Indien, Indonesien, Bangladesch und Vietnam).
Eine besondere Reisart ist beispielsweise Klebreis, der hier in Thailand sehr beliebt ist und mir auch hervorragend schmeckt. Er wird, um ihn zubereiten zu können, ein paar Stunden gewässert , danach gedämpft und zu kleinen Bällchen geformt und zusammen mit Gemüse, Fisch und Fleisch mit den Fingern gegessen (Anders ist er nicht aus der Masse des Reis’ zu lösen. Klebreis muss gedämpft!! werden, da er beim normalen Kochen zu Schleim verfällt.
Als wir mit der wunderbaren Köchin Suwannee auf dem Markt in Chiang Rai waren, um für unseren Kurs einzukaufen (Tagebuchseite 10) , erklärte sie uns an einem Reis-Stand, dass die Thailänder mit Vorliebe weiße Reissorten einkaufen. Für sie ist alles Weiße ‚edel’! Neben dem Kauf von Reis schlägt sich das im täglichen Leben überall nieder. So ist es bei Thailändern – besonders bei Thailänderinnen begehrt, weiße Haut und einen hellen Teint zu haben. Sie schützen sich, wenn es geht, vor der Sonne. So sieht man häufig bei stärkerer Sonneneinstrahlung Frauen mit möglichst farbigem Regenschirm durch Vororte oder auch über das Feld gehen. Sie beneiden uns um unsere weiße Haut... das ist schick hier! So unterschiedlich sind Moden.
Weiße Elefanten gehören auch zu der begehrten Spezies von Herrschern in der Geschichte Asiens. Bei der Besetzung/Besiegung eines fremden südostasiatischen Reiches wurden als eine der ersten Handlungen die weißen Elefanten – Elefanten an sich sind schon heilige Tiere – die als sehr heilig galten und gelten, von dem neuen Machthaber einverleibt.
Zurück zum Reis: Er ist eine "Wasserpflanze", d.h. , dass jeder Hektar eines Reisfelds, der zwischen 4 und 5 t Reis produziert, Tausende Hektoliter Wasser benötigt. Vor der Aussaat müssen die Körner ein bis drei Tage lang zum Quellen ins Wasser gebracht werden. Die gequollenen Reiskörner lassen dann, in vorgewärmter Erde gut abgedeckt, 3 bis 5 Tage lang die ersten Keime aus dem Innern treiben.
Das vorgekeimte Saatgut erlebt die Aussaat in speziell angelegten und bewässerten Saatbeeten. Je nach Sorte und Witterung brauchen die Pflänzchen 2 bis 5 Wochen, um so kräftig zu werden, dass man sie am ‚Schopf’ aus dem Boden ziehen kann. Inzwischen sind die Reisfelder gepflügt und stehen wadentief unter Wasser, Halm für Halm wird nun in den Boden gesteckt.
Junge Reisfelder und Bananenstauden zwischen Chiang Rai und dem Wat Rong Khun 13.8.08
In den folgenden 3 bis 6 Monaten (das wiederum hängt von der Sorte ab), wächst und reift der Reis. Wichtig ist es während dieser Zeit für die Bauern, auf den Wasserstand zu achten und den steten Fluss und Austausch des Wassers – die Pflanzen sollen weder verfaulen noch vertrocknen – die Farbe der Halme, um ihnen mit entsprechendem Dünger wieder die Nährstoffe zukommen zu lassen, um den Pflanzen zu einem satten Grün zu verhelfen und auf Schädlinge zu achten.
Reisfeld nördlich von Chiang Rai (Rimkok.Bezirk) 13.10.08
Dann wird das Wasser abgelassen, und noch ehe die Reiskörner beginnen auszufallen, beginnt die Ernte. Die Halme werden entweder mit der Sichel in mühsamer bückender Handarbeit von der im Boden bleibenden Wurzel getrennt, oder schweres Erntegerät sorgt für das Mähen der Felder.
Abgeerntetes Reisfeld im Issaan 11.08.
Bei dem schweren Gerät, das manchmal bis zu 30 oder gar 50 cm in dem nassen/feuchten Boden einsinkt, zerdrückt und vernichtet somit viele der Reispflanzen beim Schneiden, Gewinnen der Körner und Bündeln des Reisstrohs.
Nach dem Arbeitsgang des Schneidens werden die Körner vom Halm getrennt (‚Ausschlagen’ der Körner/Trennen der Frucht vom Halm) und getrocknet. Dies geschieht auf großen Flächen um die Reisfarm und im Ortskern von Reisbauerndörfern, oder aber auf der asphaltierten Straße auf einer Plane direkt vor der Reisfarm, wie hier im Ban Pa Yang Luang nordöstlich von Chiang Rai. Mit einem Rechen mit besonders breiten Zinken werden in Abständen die ausgebreiteten Reiskörner ‚geharkt’, um auch die unteren Körner ans Sonnenlicht zur Trocknung zu bekommen.
Reistrocknung auf der Straße bei Pa Yang Luang bei Chiang Rai, 13.10.08
Anschließend werden die Körner gedroschen und nach einer weiteren Trocknung in der Schälmaschine geschält und ‚geschwungen’ (z.B. Worfelschwinge = ki oder po ki /chin. Das Schwingen ist das Sieben des geschälten Reis). Im Anschluss daran wird eine Qualitätsprüfung vorgenommen und nach der Sortierung über Siebe wird der Reis ‚eingesackt’. Er darf bei der Lagerung im nicht geschälten Zustand auf keinen Fall feucht werden, sonst beginnt er entweder zu keimen oder wird von Schimmelpilzen befallen. Für den eigenen Gebrauch wird der Reis erst kurz vor dem Verbrauch geschält, weil er sich so frischer hält.
Abgemähtes Reisfeld bei Chiang Rai. Im Vordergrund sind die Raupenkettenspuren einer Erntemaschine zu sehen. 19.11.08
Quellen: Schultz, M./ Laos/ Bielefeld 2006/ Seite 137/
Bühler, W.-E.; Kothmann, H./ Vietnam/ Bielefeld 2008/ Seite173
Über das ‚Schwingen’: www.digitalis.uni-koeln.de
Soweit zur aufwändigen Reisproduktion.
Die Aufarbeitung der Mekongtour wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Erste Arbeiten zum Thema ‚ Fenster zum Mekong’ werde ich am Ende dieser Tagebuchseite abbilden.
In der nächsten Woche werde ich die Erneuerung meines Visums an der nahe gelegenen Grenze nach Myanmar in einem Emigration Office nutzen, die ‚Nordtour’ am Mekong zu machen. Sie führt mich von Chiang Rai ostwärts nach Wiang Kaen Richtung Chiang Khong den Mekong aufwärts bis nach Chiang Sean und Sop Ruak. Laut Karte und Aussagen verschiedener Leute, mit denen ich gesprochen habe, soll es dort schöne erhöhte Ausblicke auf den Strom geben. Von Sop Ruak geht es dann am Donnerstag nach Mae Sai, um die Visum-Angelegenheit zu klären.
Ich werde mich hoffentlich mit neuen Mekongbildern am nächsten Samstag wieder melden.
. . .
Drei verschiedene Stadien des ‚Fenster zum Mekong’
Acryl auf Leinwand 90 X 70
...es ist noch nicht zufriedenstellend gelöst.
Zum Abschluss doch noch heimatliche Gefühle: schon vor zwei Wochen stand dieser geschmückte und beleuchtete Tannenbaum – er blinkt beständig – vor dem Einkaufszentrum ‚Big C’ in Chiang Rai.