Fernöstliches Tagebuch
von Helmut Rieländer
Seite 15
9. bis 15. November 2008
Die Tage nach meiner großen Mekongtour war ich damit beschäftigt, die Materialien zu sichten – Skizzen, Zeichnungen und über tausend Fotos – die ich von der Fahrt mitgebracht habe, sowie die beiden letzten Tagebuchseiten fertig zu stellen und erste Arbeiten zum Thema ‚Mekong’ umzusetzen.
Zu Beginn dieser 15. Tagebuchseite möchte ich einige Nachtragungen, Ergänzungen und Anmerkungen zu den letzten beiden Tagebuchseiten machen.
Eine Landkarte von Thailand
Die Reiseroute von Chiang Rai – im Norden – über Phayao, Phrae, Uttradit, Phitsanulok (von Norden nach Süden) nach Lom Sak (ostwärts) und dann nach Loei (wieder nordostwärts). Von dort hinauf zum Mekong nach Chiang Khan und dann entlang des Mekong bis nach Mukdahan. Durch den Issaan (in südwestlicher Richtung) nach Korat (Nakhon Ratchasima) nach Phimai (Khmer-Tempelstadt) von dort wieder zurück nach Korat. Von dort in einem Rutsch nach Norden nach Chiang Rai.
Blau = die Landesgrenzen von Thailand
Orange = der Mekong (in Laos und Thailand)
Rot = die Fahrtroute
Der übermittelte Text der Aktivitäten der Stadt Nakhon Phanom vom 7. Bis 15. Oktober 08 auf dem Mekong des Museums in Nakhon Phanom, übersetzt aus dem Englischen von Hermann Poppelmeyer in Bremen, dem an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Die beleuchtete Bootprozession
Wenn die Nacht herein bricht, werden majestätische Feuerboote in Flammen gesetzt und den Mekong hinabgeschifft. Sie sind aufwendig verziert - mit Blumen, Räucherstäbchen, Kerzen und Laternen und jedes trägt eine Auswahl von rituellen Opfergaben bei sich.
Gegen die Dunkelheit der Mond beschienenen Nacht, ist der Anblick des flackernden Lichts von Kerzen und Laternen auf den großartigen ‚Feuerbooten’ die den Mekong flussabwärts treiben, sowohl faszinierend als auch Ehrfurcht gebietend. Es ist dieses bezaubernde Spektakel, das der auf dem Wasser stattfindenden Prozession seinen Namen verliehen hat – ‚Lai Reua Fai’ – wörtlich bedeutet dies ein ‚Feuerboot’ flott machen.
Die beleuchtete Bootprozession wird in I-San gefeiert, der nordöstlichen Region von Thailand, vom 15. Tag des zunehmenden Mondes bis zum ersten Tag des abnehmenden Mondes im 11. Mondmonat des buddhistischen Kalenders, in der Regel einen Monat früher als im entsprechenden Monat im normalen Kalender. Dieses schillernde Ereignis markiert das Ende der buddhistischen Fastenzeit auch ‚Ok pansa’ genannt und wird begleitet von einer bunten Straßenprozession sowie kulturellen Darbietungen, die zu den Höhepunkten der Veranstaltung beitragen und jährlich veranstaltet werden.
Die beleuchteten Boote unterscheiden sich in Form und Ausdruck und zeigen kulturelle Identität, künstlerische und kulturelle Blütezeit, indigene Kultur und Glaubensrichtungen sowie Kenntnisse und Fähigkeiten der dortigen Bewohner.
Von buddhistischen Motiven inspiriert, zeigen die Royal Barges (königliche Binnenschiffe) mystische Zeichen in I-San, brahmanische Legenden und folkloristische Darstellungen werden gezeigt.
Üblicherweise dargestellt werden Naga, der Schlangenkönig; Hong, der Schwan; die heiligen Rosse der Brahmanengötter; Hamsa, die heilige Gans und der Schrein von Brahma; Garuda, der Schrein von Phra Narai (Vishnu); Erawan, der Schrein von Indra und Ganesh, der elefantenköpfige Sohn von Shiva.
Die Ursprünge der beleuchteten Bootsprozession
Die beleuchtete Bootsprozession spiegelt buddhistische Ursprünge ebenso wider wie animistische Überzeugungen und die Anbetung der Naturkräfte. Einigen Gelehrten zufolge beruht das Ritual auf alten buddhistischen Märchen und wird vollzogen, um dem heiligen Fußabdruck von Buddha, dem Herrn am Ufer des mythischen Flusses Nammadhammahantee Respekt zu zollen und zu Ehren der buddhistischen Dreifaltigkeit Phra Buddha, Buddha, dem Herrn; Phra Dhamma, seinen Lehren und Phra Sangkha, Jünger von Buddha, dem Herrn.
In seiner siebten Fastenzeit, in Erinnerung an seine Mutter, stieg Buddha in den Himmel empor, um eine Predigt an seine Mutter halten. Dort wohnte er über den gesamten Zeitraum der dreimonatigen Rains Retreat, die auch buddhistische Fastenzeit genannt wird.
Am Ende der Rains Retreat fällt, der auf den ersten Tag des abnehmenden Mondes des elften Mondmonats fällt, kehrte Buddha, der Herr wieder zur Erde zurück, indem er die Celestial Stairway bestehend aus Silber, Gold und Kristall hinab stieg.
Erfreut über die Nachricht von Buddhas Rückkehr auf die Erde bereiteten sich Buddhas Jünger und Anhänger darauf vor, ihn mit Nahrungsmitteln zum empfangen sowie anderen heiligen Gegenständen, die ihm präsentiert werden.
Tak Bat Devo, das buddhistische Ritual zum Erwerb von Verdiensten, das am letzten Tag der Feierlichkeiten aufgeführt wird, markiert das Ende der buddhistischen Fastenzeit und stammt vom Wort "Devorohana". Es bezieht sich auf buddhistische Feierlichkeiten, die die besondere Bedeutung der Rückkehr von Buddha dem Herrn zur Erde kennzeichnen, so wie es auch in alten buddhistischen Erzählungen Erwähnung findet.
Wasser ist die Quelle des Lebens in den traditionellen an Flüssen liegenden Gemeinschaften, die abhängig sind vom Fluss als Quelle von Nahrungsmitteln, dem Fang von Fischen und anderen Meerestieren sowie dem Anbau von Pflanzen an den Ufern des Flusses in der trockenen Jahreszeit, wenn der Wasserspiegel sinkt.
In den Kulturen, die an Flussufern leben, werden Mae Khongkha, der Mutter des Wassers, rituelle Gaben dargebracht. Diese stellen einen Akt der Beschwichtigung dar, um für ihre Vergebung zu bitten für des Menschen Achtlosigkeit bei der Verunreinigung unberührter Gewässer, der Quelle allen Lebens.
Naga, der mythische Schlangengott, der in Beziehung zum Wasser steht, das sich in drei Bereichen befindet: unter der Erde, wo es Mineralien und Edelsteine bewacht, in Körpern mit ruhendem und fließendem Wasser, sowie im Himmel, wo es den Regen hervorbringt, der die Früchte des Feldes nährt; und von anderen himmlischen Mächten, die verantwortlich sind für das Geschenk des Lebens, verehrt von den Menschen aus I-San. Durch das Schwimmen- lassen der ‚Feuerboote’ wirft man symbolisch Trauer, Elend und Schicksalsschläge weg.
Traditionell wird ein Feuerboot aus dem 10-12m langen Stamm eines Bananenbaumes gehauen oder aus anderem schwimmfähigen Material, das man leicht in der Nähe findet.
Die verschiedenen Formen und Strukturen, die man braucht, werden aus aufgeschnittenem Bambus und anderen brennbaren Bestandteilen hergestellt.
Aktuelle Ausführungen werden entweder aus richtigen Booten oder Benzinfässern gefertigt, die mit Blumen, Räucherstäbchen, Kerzen, Glühbirnen, Feuerwerk und Pyrotechnik ausgestattet sind. Sobald die rituellen Feierlichkeiten beendet sind, werden die Boote geborgen und für die nächste Veranstaltung recycelt.
Als Korrektur sei an dieser Stelle durch einen Übermittlungsfehler bedingt, die richtige Schreibweise des Künstlers und Kochs aus Chiang Khan am Mekong noch einmal richtig gestellt: er heißt Thepparit Ekphuthasilp seine Mail-Adresse ist thepbluesthai@hotmail.com
Am darauf folgenden Dienstag (11.11.) nachdem die Hauptarbeit getan war, bin ich zur Entspannung und zum Einkauf mit dem Rad in die Innenstadt von Chiang Rai gefahren. In den letzten Tagen ist es für thailändische Verhältnisse kalt geworden. Die Winterzeit hat begonnen und ich habe in meiner Wohnung am Rande von Chiang Rai – in den Wohnräumen und anderen heimeligen Räumen laufen alle Thailänder/innen barfuß, so auch ich – zum ersten Male hier kalte Füße bekommen. In der Innenstadt angekommen, frage ich mich zu einem Papier- und Kunstbedarfhandel durch, um Stifte, eine Landkarte und neue Aquarellfarben zu erstehen. Bei meiner Bezahlung bei einer sehr netten Verkäuferin ruft mich die Besitzerin zum Eingang auf die Straße: "Come Mister, look!!“ und weist aufgeregt auf die Straßenkreuzung Richtung Uhrturm. Auf der Kreuzung steht ein wahrhaftiger dekorierter und berittener Elefant, von Scheinwerfern beleuchtet.
Der Umzug in der Innenstadt von Chiang Rai am Vorabend von Loy Krathong 11.11.08
Es folgen zwei weitere noch größere Tiere – die asiatischen mit den kleinen Ohren. Ein großer bunter, beleuchteter Umzug folgt dem Elefantenauftritt durch eine der Hauptstraßen der Stadt – der Th. Thanalai – hinunter zum Fluss. Es sind kleinere und große Tanz- und Musikgruppen aus unterschiedlichen Gegenden der Nordprovinz, von der Chiang Rai die Hauptstadt mit inzwischen über 60 000 Einwohnern ist. Anlass des Umzuges ist das am Mittwoch stattfindende Loy Krathong Fest, eines der festlichsten und schönsten der Thailänder. An diesem Tag und besonders am Abend wird in der Vollmondnacht (viele Feiertage in Thailand richten sich nach dem Mondkalender und liegen somit von Jahr zu Jahr an einem anderen Tag oder einer anderen Nacht) Mae Khongka, der Göttin der Flüsse und des Wassers gehuldigt. Die Menschen versammeln sich zu diesem Anlass an Flüssen, Seen und Teichen, am Meer oder auf Inseln an der Küste und lassen kleine lotusförmige, meist aus Bananenblättern gefertigte Gestecke auf dem Wasser schwimmen. Auf diesem Gesteck (Krathong), häufig aus einem schwimmfähigen Boden – beispielsweise aus einem runden Abschnitt einer ‚Baumscheibe’ einer alten Bananenstaude bestehend – der kunstvoll mit Bananen- und anderen Blättern umwickelt und mit kleinen Nägeln gestiftet ist. Auf diesem Untergrund ist eine Art Lotuskelch befestigt in den Blumen oder andersfarbene Blätter eingearbeitet sind. Im Zentrum des Kelches befindet sich eine flache Kerze und hinter der Kerze werden drei Räucherstäbchen in den schwimmfähigen Boden gesteckt. Unter die flache Kerze wird ein Geldstück gelegt. Dieses Gesteck wird unter Andacht und einem Gebet versehen auf das Wasser gesetzt und mit einem kleinen Stoß in Richtung des Gewässers schwimmen gelassen. Sehr schön soll dieser Festtag in Chiang Mai sein, da diese Stadt eine schöne Altstadt mit einem Stadtgraben drum herum besitzt. Ein weiterer Ort, an dem es zu Loy Krathong recht schön zugehen soll ist Sukhothai, der Ort, in dem ich in meiner sechsten Woche meines Aufenthaltes hier in Thailand war (siehe Tagebuchseite 6). Die alten Tempelanlagen sind von Seen und Kanälen durchzogen und umspült und geben bei festlicher Beleuchtung ein zauberhaftes Bild ab.
Ich wurde von meiner quasi ‚Gastfamilie’ am Abend des 12. Novembers mit in ein benachbartes Dorf genommen, um dort mit zu feiern. Zuvor habe ich am Nachmittag in Chiang Rai auf der Chaussee entlang des Mae Nam Kok noch ein Krathonggesteck in Form eines ‚Schwimmvogels’ mit rotem Schnabel erstanden.
Mein Loy-Krathong-Gesteck, das ich am Fluss bei den ‚fliegenden Händlern’ erstanden habe. 12.11.08
Es ging dann mit dem Gesteck in ein nicht näher zu benennendes Dorf, wo sich schon ein munteres Völkchen – hauptsächlich Frauen – versammelt hatte. Es wurde fröhlich dem Thai-Whisky zugesprochen, der nun überhaupt nicht ‚mein Fall’ ist. Auf der Dorfstraße steht ein großer LKW mit offener Pritsche, auf der ein mit einem Dach versehenes Bild des leicht gealterten Königspaares unter gestaltetem goldenen Dach steht. Vor diesem ca. 4 Meter hohen Standbild befindet sich eine aus Draht und Stoff nachgebildete riesige Lotosblüte, in der sich spielend ein Mensch niederlegen kann. Hinter dem LKW steht ein kleiner Anhänger mit Generator und großem Scheinwerfer, bereit, die Ladefläche mit der Lotosblüte und dem Königspaar dahinter anzustrahlen. Der kleine Einachser ist mit einer Deichsel und diversen Kabeln mit dem LKW verbunden und erinnert mich doch an eine frühere Aktion auf dem Bremer Marktplatz, nicht Kurt?!
Nach längerer Zeit setzt sich der von bunten Laternen beleuchtete Zug von Krathongträgern in Bewegung. Neben dem beleuchteten Festwagen mit Lotosblüte und Königspaar laufen zwei Männer mit 6 bis 7 Meter langen Bambusstangen, die am oberen Ende eine ‚Astgabel’ montiert haben. Diese dienen zum Anheben der zum Teil tief hängenden Überlandleitungen, die von Dorf zu Dorf führen. Wir passieren auf unserem Weg zum Wasser diverse kleine Dörfer, aus denen nun zunehmend beleuchtete Heißluftkörper, sog. beleuchtete Kham Fai, empor in den nächtlichen Himmel steigen. Der feierliche Zug, von Musik begleitet und zehn Umzugwagen aus weiteren zehn Dörfern, endet am Gewässer neben dem Busbahnhof II. Hier werden nicht nur die 11 wirklichen Dorfschönheiten, die in den beleuchteten Lotosblüten der Festwagen saßen, geehrt, sondern sehr bald auch die Loy Krathongs feierlich in den benachbarten See gesetzt.
Die schwimmenden Krathongs im See nahe des Busbahnhof II zu Wasser gelassen. 13.11.08
Im Anschluss daran wird auf dem Weit des Busbahnhofes, der mit einer Bühne sowie mit Lautsprechern, Scheinwerfern und bunten Laternen versehen ist, nicht nur dem Essen und dem Alkohol zugesprochen, sondern auch ausgelassen getanzt.
Einen weiteren Höhepunkt dieses Festes bildet der große festliche Umzug am darauf folgenden Abend in der Stadt, der bisher alles in der Weise Gesehene schlägt. Der Aufwand, mit dem hier in Kostümen, Farben und Licht geschwelgt wird, bleibt für mich unvergessen. Es wäre frevelhaft, wenn ich versuchen würde, ihn hier abzubilden. Deshalb bescheide ich mich mit den knappen Sätzen und melde mich am nächsten Samstag wieder.