HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

HolzpfeillinksHolzpfeilrechts
Südostasiatische Notizen

Südostasiatische Notizen 32
vom 01.05. 2017 bis 31.10.2018
Bremen in Deutschland

Nach meiner Rückkehr nach Deutschland im Mai 2017 musste ich mich erst einmal – wenn auch in viel kürzerer Zeit als nach meinem ersten längeren Aufenthalt in Thailand – an die völlig andere Atmosphäre, Kultur und den Habitus im westlichen Europa gewöhnen. Durch den ‚Zuzug’ (Immigration und Zuwanderung) vieler Geflüchteter aus meist afrikanischen und auch arabischen Ländern verändert sich das Straßenbild.

Bereits bei meinem letzten fast halbjährigen Aufenthalt vor über zwei Jahren war mir die veränderte Situation auf Straßen, öffentlichen Plätzen und in Bahnen und Bussen aufgefallen. Neben Russisch, Polnisch und Kroatisch waren nun auch mehr ‚abgewandeltes’ Englisch und Französisch sowie Arabisch und auch unterschiedliche afrikanische Sprachen – vor allen Dingen in den öffentlichen Verkehrsmitteln – zu hören.

Ich kam zurück nach Bremen, da nicht nur der Mietvertrag des jungen Paares auslief, dem ich meine Wohnung vermietet hatte und welches auf Wohnungssuche war, nachdem in meiner achtmonatigen Abwesenheit die junge Frau ein Kind geboren hatte, sondern ich musste mir auch Arbeit suchen!
Die Ausgaben für meine Ausstellung in Vientiane (Transportkosten, Bilderrahmungen und die Hotelaufenthalte für meinen tollen Helfer Heinz und seine Freundin, sowie Rei und ihre Freunde und Angehörigen) hatte doch diverse KIP (laotische Währung) und Thai-Baht verschlungen, und diese Lücke musste geschlossen werden. Bereits von Thailand aus machte ich mich ‚im Netz’ schlau, welche Möglichkeiten für mich als Renntier bestünden, einem ‚Broterwerb’ nachzugehen. Es stellte sich schnell heraus, dass das Arbeitsamt für mich als Verrentetem nicht mehr zuständig ist.

In Bremen angekommen, kümmerte ich mich zuerst darum, wieder in meine Wohnung einzuziehen. Mein nächster Gang galt dem größten Bremer Verlagshaus auf der Suche nach einem Job als Zeitungszusteller.
Nach gut einer Woche Wiedereingewöhnung machte ich mich auf den Weg ins Verlagshaus, was mir nicht ganz leicht fiel, da ich nicht wusste, was mich dabei erwartete. Dort wurde ich allerdings an eine Firma ‚um-die-Ecke’ verwiesen, da die Zeitungszustellung inzwischen ‚outgesourced’ worden war!
Ich stellte mich also direkt in der selbstständig agierenden Zustellerfirma vor und wurde sogleich als fester ‚Stammträger’ für unbestimmte Zeit eingestellt.
Als ‚Stammträger’ bekommt man erst einmal ein ‚Übungszustellerrevier’ zugewiesen, um sich dort auszuprobieren und zu beweisen. Nun galt es jeden Morgen (von Montag- bis Freitagmorgen) um ¼ vor zwei in der Frühe aufzustehen, um die Zeitungen an verabredetem Ort abzuholen. Diese galt es dann, in den zur Verfügung gestellten Packtaschen, die am Gepäckhalter des eigenen Fahrrads befestigt wurden, zu verstauen.

OK18-01 OK18-02

Der SOAN-Autor als ‚Stammträger’ (Zeitungszusteller) in den Morgenstunden in Bremen

Die großen Zeitungspacken werden von der Druckerei der zwei Zeitungen des örtlichen Verlagshauses sowie den Zulieferern der auswärtigen Zeitungen (5 unterschiedliche Zeitungen) zusammengeschnürt, mit den Kundenlisten versehen und von den Fahrern der Lieferfahrzeuge zu den verabredeten Verteilerstellen gebracht (bei mir war es eine Tankstelle).
Am Donnerstag kam zu den täglich zu verteilenden ca. 150 bis 170 Zeitungen noch eine Wochenzeitung aus Hamburg (1,7 Mio. Leser) dazu, ein wahres Buch, was zum Teil in drei Teile zerlegt ‚gesteckt’ werden musste, oder mit Gewalt in die Zeitungsschlitze ‚getrümmert’ wurde?!

Nicht allein das frühe Aufstehen und die nächtlichen Touren waren eine Tortour, sondern auch das nach Feierabend um 6:30 h anfangs praktizierte ,Weiterschlafen’ bis in den Mittag ließen den Tag arg kurz erscheinen, denn nach der Tagesschau um 20:15 h musste schon wieder ans ins-Bett-gehen nachgedacht werden. Somit waren die Tage kurz, die Nächte früh abgebrochen, der Tag zersplittert in ungewohnte, ja ungesunde Abläufe, die noch nicht einmal angemessen vergütet wurden. Dieses Los teilte ich mit Langzeitarbeitslosen, ‚Aufstockern’ und alleinerziehenden Müttern, auf die zuhause ein weiterer strammer Arbeitstag wartet.
Als langjähriger Lehrer war mir ein solches Arbeitsfeld fremd. Nicht dass es mich geistig angestrengt hätte, aber die ungewohnte Nachtarbeit erlaubte ein Zusammensein mit Freunden nur noch bedingt, da sich deren Tages- und Abendablauf anders gestaltete. Ich musste mich von Zusammenkünften spätestens zwischen 21:00 und 22:00 h verabschieden, um wenigstens noch ‚eine Mütze Schlaf’ zu bekommen.

weiter >>>
<<< zurück