HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

HolzpfeillinksHolzpfeilrechts
Südostasiatische Notizen

Eine weitere beeindruckende Arbeit ist die von Franz Radziwill (1895-1983), einem regionalen Künstler vom Jadebusen, die der Ausstellung erst auf den zweiten Blick – trotz tradiertem Aufbaus und entsprechender Malweise – das Gefühl von aufziehendem Gewitter, Spannung und bedrohlicher Stille beschert. Schrill heben sich die Farben der Kaimauer, des Siels in Dangast, der Aufbauten des Fischerbootes und die Schaumkämme des ablandigen Windes der Brandung von der übrigen Färbung des Bildes ab.
Bewegungen kommen durch die Wolken im Bild zu Stande, bei denen besonders die rechte – die mit den roten Flecken – explosionsartige Verfärbungen aufweist.
‚Eine trügerische Ruhe breitet sich aus in Zeiten politischer und gesellschaftlich instabiler Situation.’ (... so der begleitende Text zu diesem Bild, das Radziwill 1951 malte, sechs Jahre nach dem 2. Weltkrieg und zwei Jahre nach Schaffung einer neuen Westdeutschen Verfassung.)

IMG2576AU66

Der kleine Hafen, Öl auf Leinwand auf Holz 1951

Ein weiteres vermeintliches ‚Seestück’, was mir von weitem ins Auge sprang, war die Arbeit von Nicol Heinzel # 2,49, aus dem Jahre 2008/ Öl auf Leinwand.
Die scheinbare Wasserfläche ist nur aus der Ferne wahr zu nehmen. Es entsteht die optische Illusion einer bewegten Wasseroberfläche, auf der das Licht reflektiert wird.

IMG2576AU67

Durch die Verdichtung der in die frische Ölfarbe gekratzten schwingenden Linien zum oberen Bildrand hin wird eine perspektivische Wirkung erzielt. Die Grundierung ist ein fast weißes Graublau, das vor dem zweiten deutlich dunkleren Farbauftrag trocknen gelassen wurde. Die dunkle Farbe wurde nach ihrem Auftrag dann zügig mittels der schwingenden, gekratzten Linien bearbeitet.
Die neue ‚Qualität und Realität’ dieser nun geschaffenen Fläche kann nur aus mehreren Metern Entfernung wahrgenommen werden. Ähnlichkeiten dieses Effekts sind auch in dem Verschmelzen der Farbtupfen in den Bildern der Pointillisten zu beobachten.

2576AU68

Je näher man an die Arbeit herantritt, umso mehr zerfällt die Darstellung in die Rillen, die in die Oberfläche hinein gekratzt sind und die zurückbleibenden freien, unberührten Felder. Diese bilden ungegenständliche Muster, deren Gesamtkontext in dieser Vergrößerung verloren geht.
‚Der Betrachter kann sich im Bild nicht eindeutig verorten: Im vorderen Bereich (also im Bild unten d.V.) scheint man in einer Aufsicht auf die Wasserfläche zu blicken, während man zugleich aus einer Untersicht zur unendlichen Wassermasse, die im oberen Bereich nicht in einem Horizont endet, aufblickt. Diese Wirkung wird durch die Ausschnitthaftigkeit der Darstellung noch gesteigert.’ (Zitat aus dem begleitenden Katalog).

Abschließend eine weitere geheimnisvolle Sicht auf die Natur, die wie ein verwaschenes Foto aus den sechziger Jahren daher kommt.
Es ist eine größere Arbeit des Amerikaners William Nichols von 1980 (‚Green Bay Creek’ in Acryl auf Leinwand).

IMG2576AU69

Bei näherer Betrachtung entpuppt sich das große Gemälde (182 X 264 cm) als aquarellhaft angelegte Acrylmalerei, tritt dem Betrachter als fast undurchdringbare Wand einer dschungelartigen grünen Wildnis entgegen.
Bei optischer Annäherung wird deutlich, dass die fast aquarellierten Felder nicht als undurchdringbare Wand ausgearbeitet sind, sondern mit dem leichten, zum Teil lasierenden Auftrag und seiner Grundieren spielen, Lücken lassen, sodass die Oberfläche als Wand nicht mehr existiert und somit ‚zerteilbar’ ist.

IMG2576AU70

Eine fragil wirkende Arbeit, die den Betrachter beim Nähertreten verwundern lässt.
Die dargestellte Vegetation gibt das, was sie verbergen könnte, nicht preis: im Gegenteil, durch die gemalte abstrakte Struktur (sehr spärlich und flächig gehaltene Einfärbung) in der Nahsicht, wird der Eindruck der Unzugänglichkeit des Dargestellten (der Natur) umso deutlicher.

IMG2576AU71

Eine äußerst interessante Ausstellung, gut ausgewählt, zusammengestellt = kuratiert!
Ich kann sie nur jedem Bremer oder den Menschen der Orte ‚umzu’ ans Herz legen. Sie ist noch bis zum 27. September in Weserburg-Museum in Bremen zu sehen.

weiter >>>
<<< zurück