HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

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Südostasiatische Notizen

Kulturhistoriker betrachten es als abgesichert, dass ab dem sechzehnten Jahrhundert, als Sakdina-Ränge auch an Mönche, chinesische Händler und verheiratete Frauen nichtadliger Geburt zu vergeben wurden, keine Landverteilung mehr entsprechend der Vergabe von Sakdina-Rängen stattfand. Vermutet wird, dass die Sakdina-Einheit ‚Rai’ zu einem symbolischen Wert für den gesellschaftlichen Rang wurde. Im Artikel des TIP wird darauf verwiesen, dass ein Bezirk vielleicht nur eine tatsächliche Landfläche von 10.000 Rai hatte, doch trotzdem wurden Sakdina-Werte von 30.000 Rai unter der Bevölkerung dieses Bezirkes vergeben.

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Links: der kniende Kronprinz betet zu seinen Eltern – die Untertanen im Hintergrund liegen bereits; rechts: kurz darauf liegt auch er.

,Während der Regentschaft von König Chulalok (1782-1809) wurde das Sakdina-System als ein Rechtssystem kodifiziert, welches „Gesetz der drei Siegel“ genannt wurde. Es wurde bei Gerichtsstreiten benutzt, um festzulegen, wie viel Gewicht die Zeugenaussage eines Individuums hatte. Je höher dessen ‚Rai’, desto ‚glaubhafter’ wurde seine Aussage vor Gericht gewichtet.’ (TIP, a.a.O., S. 13)

Das änderte sich mit der Zunahme westlicher Einflüsse, bis hin zur Annahme kapitalistischer Gepflogenheiten und Geschäftsgebaren. Sie brachten viele Änderungen in der ‚etablierten Sakdina-Harmonie’ mit sich. Die zuvor niedere Kaste der Geschäftsleute bekam größere Wichtigkeit und wurde aufgewertet. Es erschien fast gleichzeitig eine gebildete Mittelschicht. Bildung, Schulen und Universitäten wurden aufgewertet.
,Sakdina war ein starres System, der Kapitalismus jedoch ein System, das ständigen Veränderungen unterlag. Allerdings war der Kapitalismus mit Sakdina nicht gänzlich inkompatibel … Außerdem war Sakdina in der Lage, auch den Kapitalismus seinerseits abzuändern. Traditionell gesehen bestimmte Sakdina durch das Kastensystem die Rolle, die eine Person in der Gesellschaft einnahm, indem Sakdina die Mitglieder niedriger Kasten davon abhielt, höhere Ämter oder Rollen zu bekleiden. Dadurch stellte Sakdina sicher, dass der größte wirtschaftliche und geschäftliche Erfolg stets jenen hohen Kasten zufiel, die sich sowieso bereits an der Spitze der Gesellschaft befanden.’ (TIP, a.a.O., S. 15)

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Aufrecht mit entsprechender Haltung: der zukünftige König Thailands, der voraussichtlich im Herbst 2017 zum thailändischen König Rama X gekrönt werden wird

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Kronratsvorsitzender und Regierungsmitglieder (links hinten der General und Premier Prayuth Chan-ocha) erweisen dem zukünftigen König ihre Ehrerbietung.

Das Sakdina-System überlebte sowohl die sog. Siamesische Revolution von 1932, die den Übergang von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie brachte, als auch die Zeit des faschistischen Autokraten Plaek Phibunsongkham, der als Ministerpräsident der Jahre 1938-44 und 1948 -1957 versuchte, Sakdina zu eliminieren.

So legt bis zum heutigen Tag Sakdina das Verhältnis zwischen der thailändischen Regierung und den Staatsbürgen fest. Beamte sind nicht wie im westlichen Ausland ‚Diener der Gesellschaft’, sondern gehören einer höheren Kaste an und behandeln die Öffentlichkeit quasi als Untertanen. Wie alle Uniformierte genießen sie in diesem Land ein hohes Ansehen.

Vor über acht Jahren machte ich mit diesem Phänomen meine erste einschneidende Erfahrung. Es war im Herbst 2008. Ich hatte in Chiang Rai ein Geschäft mit recht schönen Rattan-Sitzmöbeln entdeckt und wollte u.a. einen Sessel und eine Zweier-Couch in Auftrag geben.

Eine nette zuvorkommende Frau bediente und beriet mich. Als wir gerade dabei waren, die Materialfrage, Farbe und das Flechtmuster zu besprechen, kreuzte ein relativ hochgewachsener, weißuniformierter Thai ‚in vollem Wichs’ im Laden auf. Er würdigte mich keines Blickes und unterbrach unvermittelt unser laufendes Verkaufsgespräch. Die Chefin ging sofort in recht unterwürfiger Weise auf den Uniformierten zu, offerierte ihm gegenüber den entsprechend hoch angesetzten ‚Wai’ und verschwand mit ihm in einem angrenzenden Verkaufsraum. Nach geraumer Zeit tauchte dieser Mensch mit einem Hocker, den er offenbar erwerben wollte, wieder auf, stellte ihn aber wieder ab, um erhobenen Hauptes das Geschäft zu verlassen.
Die Chefin kam danach ohne viel Aufhebens zu mir zurück, um unser Verkaufsgespräch über meinen nicht geringen Auftrag fortzuführen.

In einem westlichen Land wäre ein solches Verhalten als absolut ungehörig betrachtet worden ... hier ist es – vor dem Hintergrund des hohen Ranges des Kunden – offensichtlich völlig normal?!

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Die Sitzecke mit Rattanmöbeln und Paravent im Haus, das ich von August 2008 bis Mai 2009 in Chiang Rai bewohnte.

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