HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

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Südostasiatische Notizen

Nun kennen wir ja solche Familienclans auch in den westlichen Ländern (siehe die Kennedys, Bushs oder Clintons). Warum sollte es hier anders sein?! Der Unterschied ist, dass ‚man’ sich hier auch sehr häufig mit den Familien identifiziert... und wenn so ein Ministerpräsident dann klug und populistisch agiert, Versprechungen und Geschenke macht oder wie im Falle Thaksins immerhin eine Krankenversicherung einführt und seine Erfahrungen an die nachwachsenden Familienmitglieder weitergibt, kann sich solch eine Dynastie auch über Jahre oder gar Jahrzehnte halten.

Zurück zur Familie und den Familienbanden hier auf dem Lande. Man hilft sich wo man kann... und wenn man etwas braucht, nimmt man sich es einfach (Arbeitsgerätschaft, Maschinen etc.)...mit der festen Absicht, es auch irgendwann zurück zu geben.
Ich erinnere an das Beispiel im Zusammenhang mit meinem neu erworbenen Pickup. Ich wohnte damals noch auf dem Hof von Reis Eltern und wachte eines Morgens bereits um kurz nach sieben auf. Ich hatte schlecht geschlafen und auf dem Hof herrschte ein unglaublicher Lärm vom Krähen der Hähne, Geschrei und Gelächter. Ich torkelte schlaftrunken an den glaslosen Fenstern vorbei zum Innenhof und wurde gewahr, wie mein Pickup mit einer Tonne Reissäcken beladen wurde. Ich stutzte! Das war jetzt neu für mich und nicht abgesprochen! Ich reagiert, so wie ich glaubte, mit Recht sauer! In ‚meiner Heimat’ fragt man, wenn man etwas benutzt?! Ich war fassungslos und stauchte Rei durch die verschlossene Toilettentür zusammen. Das war nun der doppelte Rittberger! Sie sah sich im Recht, da sie ja quasi verwandt mit mir ist. Außerdem begann sie genauso wie ich, gerade ‚mein Gesicht ‚ zu verlieren. Sie, weil ich sie bloßstellte und ich, weil ich schrie! Alles nicht so einfach hier!

Eines ist mir hier klar geworden, man sollte hier generell nicht laut werden (Gesichtsverlust!); aber das wusste ich damals noch nicht!

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Etwas ungefragt ‚in Gebrauch nehmen’ (‚organisieren’), was man entbehrt, zählt auch als ‚ausleihen’! Es gilt nicht als Diebstahl! Solange der, bei dem man sich etwas ‚entliehen’ hat, nicht widerspricht. Eine Vorsichtsmaßnahme wäre da zum Beispiel, den begehrten Gegenstand (Werkzeug, Maschine etc.) wegzuschließen. Dann könnte man unter Umständen von so etwas wie Diebstahl ausgehen?!
In Familien ist alles ‚entleihbar’... besser ‚mit-zu-benutzen’! Auch Geld....aber da schließt sich der Kreis wieder.

In den Thaifamilien herrscht eine von allen Familienmitgliedern zu respektierende Hierarchie, wie auch in der gesamten thailändischen Gesellschaft. Das lernen die Kinder von Klein auf! Die Familie, als kleinste aber wichtigste soziale Einheit, bildet gleichzeitig das ‚Übungsfeld’ für gesellschaftliche Gepflogenheiten, an deren Spitze der König steht!
In der Familie und im übrigen Leben ‚draußen’ gilt, dass ‚das Alter’ zu ehren ist. Das kommt in gewissem Maße auch Farang zugute (wenn sie denn Teil einer Familie geworden sind, was schwer gelingt). Es ist wohl so, dass das (neben den finanziellen Annehmlichkeiten der besseren Kaufkraft des Renteneuro) durchaus von vielen in Thailand lebenden Farang, die hier ihrem Alterswohnsitz haben, geschätzt wird. Anders als in der angestammten Heimat in Europa/ Deutschland, wo Rentner nur als Ballast empfunden werden (‚’rumhocken’ und die Sitzplätze der Straßen-, U-Bahnen und Wartezimmern der Ärzte ‚blockieren’!).

Diesbezüglich ist es hier angenehmer! Den Alten wird hier zugehört, weil sie nicht nur etwas ‚zu sagen’ sondern auch etwas ‚zu erzählen’ haben. Sie sind Träger der Kultur, der Sitten und Gebräuche. Die Hierarchie in der Familie besagt, dass die Großeltern zu ehren sind. Dann folgen die eigenen Eltern und danach deren Kinder. Auch unter den Geschwistern steht der/ die Älteste in der Hierarchie oben... das jüngste Kind hat aber das Glück, verhätschelt und umsorgt zu werden.
Diese strenge Familienhierarchie setzt sich in der Gesellschaft fort.

Hierarchie-Kultur

Mein erstes ‚Hierarchie-Erlebnis’ hier im Königreich hatte ich, wie schon erwähnt, vor über acht Jahren anlässlich der Hochzeitsfeier von Walter und Maew in einem Hotel in Chiang Rai. Wir trafen mit den Brauteltern zusammen, er Hauptschullehrer (und Schulleiter einer zweiklassigen Dorfschule), sie Bewirtschafterin und ‚Dame des Hofes’. Wir trafen uns in der Hotellobby des Hotels am Mae Nam Kok und standen etwas unschlüssig vor einem Tisch mit Sesseln. Keiner machte Anstalten, sich zu setzen, obwohl wir schon den ganzen Vormittag auf den Beinen waren. Da kam der Bräutigam an meine Seite und flüsterte mir ins Ohr: ‚Helmut, Du musst Dich als Erster setzen, weil Du ‚über ihm stehst’!
Ich guckte verwundert und setzte mich... nun konnte sich auch der Brautvater (als einfacher Lehrer ohne Uniabschluss) setzen und danach ebenfalls der Rest der Anwesenden. Meine gesellschaftliche Stellung war offensichtlich im Vorfeld in Erfahrung gebracht worden.

Grundsätzlich versuchen Thais, wenn sie auf fremde Personen treffen, vorab deren soziale Stellung und damit die Hierarchieposition auszuloten. Weitere Kriterien der ‚Checkliste’ thailändischer Etikette und des geziemenden Umgangs miteinander sind:
• äußere Erscheinung, Kleidung und geschätztes Alter,
• Benehmen und Art der Sprache (bei Farang etwas schwierig)
• Schulbildung, Beruf und Vermögensverhältnisse
• ‚Beziehungen’ und deren ‚Reichweite’ (Wichtigkeit und Vernetzung der Person:
regional, national oder international)
• Gruppenzugehörigkeit, Familie und Verwandte.

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