HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

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Südostasiatische Notizen

Die fünfeinhalb Kilometer lange Fahrt von unserem Haus in Ban Phue auf der noch regennassen Schlaglochpiste nach Ban Poon dauerten eine Ewigkeit.
Auf dieser Fahrt gingen mir noch einmal in schneller Abfolge alle Begegnungen mit Burian durch den Kopf: die langen Fahrten ins Universitätsklinikum in Khon Kaen und der Besuch beim ‚Holzdoktor’ in der Nähe von Sakon Nakhon im letzten Jahr, Burians mehrmaligen Aufenthalte in der Klinik hier in Ban Phue, zusammen mit weiteren 29 Kranken in einem riesigen Raum in drei Zehner-Gruppen, getrennt durch zwei Glas-Holz-Paravents. Jeweils eine Angehörige schlief bei Nacht unter dem Bett der Kranken, da sonst ‚kein Raum in der Herberge’ war! Die Angehörigen hatten gleichzeitig ein Auge auf die kranke Angehörige, da es schwierig zu schaffen war mit dem geringen Personal... Eine lange Leidensgeschichte!
Was hat die Frau nicht alles durchmachen müssen, wie geduldig ist Rei mit diesem Umständen umgegangen, wie liebevoll zugetan war ihre Enkelin Ice und wie nichtsnutzig der ewig betrunkene Gatte Peng, Reis Vater!
All das schoss mir durch den Kopf, als ich mit dem einzigen Gefährt weit und breit die unbeleuchtete Buckelpiste in Richtung Dorf fuhr...

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... wieder einmal eine Nachtfahrt zu einem sterbenden Menschen... und wieder die Angst im Nacken, ‚komme ich noch rechtzeitig?’: vor über achtzehn Jahren auf dem Weg ins Krankenhaus in Bremen zu meinem sterbenden Sohn Fiete....vor fast neun Jahren zum Krankenhaus nach Wilhelmshaven an das Bett meiner sterbenden Mutter auf der Intensivstation... und nun zum Gehöft der Wongkhens zur sterbenden Mutter von Rei.

Als ich auf die Straße zum Hof einbog, flogen Kanonenschläge und Kracher auf den Beton vor der Einfahrt. – Ich war zu spät eingetroffen! Reis Mutter war Minuten zuvor gestorben.
Hierzulande ist es Sitte beim Ableben eines Angehörigen, ihn mit Raketen und Böllern auf dem Weg ins Jenseits zu begleiten. Wohl auch um Phi (Geister, die vom Verstorbenen Besitz ergreifen könnten) zu vertreiben, aber auch, um Nachbarn vom Tod des Verwandten auf diese Weise in Kenntnis zu setzen.
Ich kam zur Veranda des Hauses und wurde gewahr, dass die gerade verstorbene Mutter von ihren beiden Kindern, Tochter Rei und Sohn Sak, gewaschen und anschließend eingepudert wurde. Sie wurde bei dieser Waschungszeremonie von der Nichte Wat der Tochter von Khun Ja, unter den Achseln gehalten.
Der Kopf von Burian war zur rechten Seite gesunken, die schlaffe, hilflose Pose, der abgemagerte Leib mit den ausgebreiteten dürren Armen, muteten an wie die Kreuzesabnahme Jesu (entsprechend der Ikonographie der Pietà einer Kreuzesabnahme). Unterstrichen wurde dieses ‚Bild’ durch das nur um ihre Lenden gewickelte Tuch. Nach dieser kollektiven Waschung durch ihre Kinder wurde Burian in traditionelle Festtagstücher gekleidet, in denen sie dann auch zwei Tage später kremiert werden sollte.
Als Ice mich sah, sagte sie nur ‚Helmut’ und wir umarmten uns schluchzend. Ice hatte ihre Großmutter sehr lieb. Kaum jemand stand ihr so nahe – bis auf Rei.
Die Waschung und die Einkleidung der Toten wurden von vielen Verwandten im großen Raum des Bauernhauses und durch die glaslosen geöffneten Fenster verfolgt.
Eigene Scham und Pietätsgründe verbaten mir das Fotografieren. (Ich habe zwar schon einige mir nahestehende Menschen nach dem Tode gemalt und gezeichnet, aber Fotos sind für mich in einer solchen Situation Tabu!)
Die Frauen betteten nun Burian auf ihre Kissen, derweil die Männer Überlegungen anstellten, wie der große, noch zu besorgende Kühlsarg zur Aufbewahrung des Leichnams über die Tage bis zur Bestattung wohl durch die Tür – besser durch die große Alu-Glasfront – zu bringen wäre.

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Eines war klar, der über einen Meter breite Kühlsarg ging nicht durch die Tür, die ungefähr 90 Zentimeter in der Breite misst. Man einigte sich auf den Ausbau einer der Glaseinheiten (mit quer liegendem Alurahmenstück), die ca. einen Meter und zwanzig breit ist.

Pungmed sowie ein weiterer Verwandter und ich fuhren mit meinem Pick-up derweil nach Ban Phue zu einem Bestatter und Devotionalienhändler, um einen Sarg (loong) und diverse Utensilien, die für die Zeremonien am nächsten Morgen benötigt wurden, zu erstehen.

Der Bestatter hat zwar einen 24-Stunden-Dienst, war aber nicht mehr in seinem Laden anzutreffen. Telefonisch herbeigerufen händigte er uns den Sarg, große und kleine Kerzenpakete, einen ‚Geldbaum’ (dton ngön) und dessen ’Zweige’ (mai siap ngön – Halterungen für die gespendeten Geldscheine), Räucherstäbe und zwei Gefäße für die Kerzen und Räucherstäbe aus.

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