Fernöstliches Tagebuch
von Helmut Rieländer
Seite 37, Teil 1 von 2
12. bis 18. April 2009
Natürlich habe ich von schweren Unruhen noch während meines Aufenthaltes in Mae Sai vernommen. Schon beim Schneider John hatte ich mir die Zeit des Wartens mit einer aktuellen Zeitung vertrieben, die den Bildern nach zu urteilen eine eindeutige Sprache ob der Brutalität der Auseinandersetzung zu sprechen schienen. Aber ich spare mir an dieser Stelle, mich nochmals auf die politischen Verhältnisse einzulassen. Die Unterschiedlichkeiten der beiden rivalisierenden Gruppierungen der ‚roten und gelben Hemden’ sind auf Tagebuchseite 11 (vom 17.10.’08), 12 (vom 12.10.’08), 18 (vom 6.12.’08) und Seite 20 (vom 20.12.’08) eingehend betrachtet. Im Prinzip hat sich nichts geändert: die Fronten scheinen sich zu verhärten. Nachdem nun ‚die alte Elite’ wieder an der Macht ist, tritt die gegnerische Gruppierung der ‚Rothemden’ – was nichts mit der politischen Gesinnung zu tun hat – hart auf, um wiederum die Macht zu erringen. Der wohl berechtigte gegenseitige Vorwurf der Korruption und Untätigkeit auf allen Ebenen steht immer wieder im Raum! ...Eine Lösung ist nicht in Sicht!
Parallel fand und finden immer noch die Feierlichkeiten und ‚Wasserhappenings’ zum thailändischen Neujahrsfest ‚Songkran’ statt. Davon konnte ich mich auf einer Einkaufstour zum ‚Big C’ auf dem AH 2 (Asian Highway 2) überzeugen. Pickups mit unterschiedlich großer Ladeflächenbesatzung rasten den Highway hinauf und hinunter. Alle auf der Ladefläche Sitzenden hatten eine große Tonne gefüllt mit Wasser in der Mitte stehen, und kleinere auch größere Eimer in der Hand. Sie dienten zum Schöpfen und Werfen der Wassermassen auf die vorüber fahrenden anderen Pickups. So fanden bei den Dahinrasenden regelrechte Wasserschlachten von Wagen zu Wagen statt. Ich war leider zu weit entfernt und auf einer Nebenspur, sodass ich das Schauspiel nicht direkt aufnehmen konnte. Zwei Tage später wurde ich auf einer Fahrt weiter im Norden dann auch fotografisch Zeuge dieser ‚Wasserschlachten’.
‚Wasserschlacht’ anlässlich des Songkranfestes in Chiang Saen auf der Mekonguferpromenade am 14.04.09
Auf der Rückfahrt dann von meinem Einkauf im Supermarkt machte ich Halt bei dem auf halber strecke nach Sansai liegenden Café von Nachbarin Kopkun. Chamnan, ihr Gatte, war auch im Café anwesend. Es war Mittagszeit und Essen stand auf dem Tisch. Ich wurde sogleich durch das Aufdecken eines weiteren Tellers zum Essen eingeladen. Es war aber wieder so heiß, dass ich beim besten Willen keinen Bissen herunterbekam. Bei der Wärme habe ich mir angewöhnt, nur zu frühstücken und mir erst nach 18:30 Uhr – nach Sonnenuntergang – meine zweite Mahlzeit zuzubereiten. Aber es gab Bier mit Eiswürfeln (Nam keng, Übersetzung: Wasser-hart), was ich mir auch schon kurz nach meiner Ankunft hier angewöhnt habe: das Bier ist sonst im Nu warm... und man kann auch mehr davon trinken. Ich erzählte etwas ausgiebiger von meiner Reise durch die dreieinhalb Länder und meine Eindrücke.
Nach dem Essen luden sie mich für in zwei Tagen zu Feierlichkeiten – so verstand ich sie jedenfalls – zum neuen Jahr ein. Das Englisch ist doch etwas lückenhaft, von meinen paar Brocken Thai ganz zu schweigen. So musste ich mir die Einladung und das Geschehen um den Wat? selbst zusammenreimen. Sie versuchten, mir zu erklären, ‚Festival’ ‚around the Wat’ und machen mittels Zeigefinger kreisende Bewegungen in der Luft. Ich interpretierte, da ich das zu bestimmten Festlichkeiten gelesen hatte, dass der Wat mit Kerzenprozessionen ‚eingekreist’ und feierlich dort hinein defiliert wird. Ich dachte mir: ‚lass Dich mal überraschen!’ Um 7:00 Uhr war für den übernächsten Tag – dem ersten Tag im neuen Jahr - Treffen vor der Tür des Hauses angesagt.
Im Café von Kopkun am Rande des Grün- und Obstgroßmarktes von Chiang Rai am 12.04.09
Ich verabschiedete mich und fuhr am Rande des AH 2 Richtung ‚Heimat’. Natürlich gingen die Wasserschlachten auf der Straße unvermindert weiter. Glücklicherweise wurde von mir, dem einsam dahin radelden Farang, keinerlei Notiz genommen.
In der ‚Vientiane Times’, die ich vor rund einem Monat aus dem ‚Café Chez Boune’ in Savannakhét mitgenommen hatte, hieß es, dass in einem bestimmten Gebiet der laotischen Provinz Khammuan, eine Vorschrift ‚diktiere’, dass ‚nur Straßen die innerhalb eines bestimmten Bereiches liegen, Feiernden, die das neue Jahr entsprechend begehen wollten – so wie überall in den Jahren zuvor - zur Verfügung stünden.’ ‚Die Menschen müssten sicherstellen, dass ihre Feiern sich fern von den großen Straßen und dem fließenden Verkehr abspiele’. Der Gouverneur des Distrikts ließ den Grund dann auch verlauten:“ Wir hoffen, dass durch diese Maßnahme es hilft, die Straßenunfälle zu reduzieren! ... Während des Festes soll den Feiernden nicht erlaubt sein, Wasser auf die vorüber Fahrenden zu spritzen, da gerade das die Ursache für viele Unfälle in der Vergangenheit gewesen ist. Wasser darf nur in den vorgeschriebenen Gebieten gespritzt und gegossen werden.“
Wasserspritzaktion anlässlich des Songkranfests in der Nähe von Chiang Saen in Nordthailand am 14.04.09 / Japantusche auf gestrichenem Papier
Weiter hieß es, dass die Familien ihre Feiern in ihren Häusern begehen könnten, aber Wasserspritzaktionen außerhalb des ausgewiesenen Stadtteils – des beschriebenen Teiles von Thakhek – untersagt währen. Im letzten Jahr seien an den Feiertagen landesweit 197 Straßenunfälle mit acht Toten zu vermelden gewesen. (zum Vergleich im Jahr 9.2007 bis 8.2008 waren es landesweit 4953 Verkehrsunfälle mit 599 Toten).
(nach: ‚Vietiane Times’ vom 17.03. 09 / „ Khammuan sets Lao New Year ‚celebration area’ to reduce accidents“ von Xayxana Leukai auf Seite 1 + 3)
Ich spreche mich mit dem Erwähnen dieses Artikels nun nicht gegen die Feierlichkeiten in den beiden Ländern aus, sondern möchte darstellen, womit sich die Behörden ’herumschlagen’. Ich finde diese Art der ‚Wasseraktionen’ allemal besser als die extensive, laute und zum Teil gefährliche Ballerei in unserem Lande zum Jahreswechsel.
Zwei Tage später ging es dann mit Kopkun und Chamnan mit unbekanntem Ziel um kurz vor 8:00 Uhr los. Sie sagten mir im Auto, dass das ganze sich ‚Gao Jhom’ – ‚good luck for the new year’ - nennen würde und stellten eine große Flasche nach Blüten duftenden Wassers auf den Rücksitz; ich war gespannt.
Wir bewegten uns in südliche Richtung, und nach einer halben Stunde führte der Weg von einer Straße hinauf zu einem Wat, dem Wat Pha That Chom Mok Kheo. Hier kam die Flasche mit dem Blütenextrakt das erste Mal zum Einsatz.
Chamnan beträufelt die Buddhastatue aus Buntsandstein vor dem Chedi des Wat Pha That Chom Mok Kheo mit duftendem Blütenwasser (am 14.04.09)
Ein Gespräch mit dem Mönch des Wat schloss sich an. Er gab zu bedenken, dass jedwede Einmischung Vertreter fremder Länder in die Entwicklung in Bangkok nicht erwünscht ist. Das sagte er wohl halb an mich gewandt, da er wohl auch schlechte Erfahrungen der Einmischung erlebt hat. Ich bekam diese Aussage von ihm erst im Auto übersetzt, und konnte ihm nicht meinen Standpunkt diesbezüglich unterbreiten. Für mich ist das eindeutig eine Angelegenheit, die nur die Thailänder etwas angeht. Eine Einmischung von außen lehne ich strikt ab.
Der Weg führte uns anschließend weiter südwärts. Allmählich wird mir klar, dass es sich nicht um die ‚Einkreisung’ eines Wat dreht, sondern um mehrere Wats, eine Art Pilgerfahrt – Autopilgern am Neujahrstag – um einen guten Start ins neue Jahr 2552 zu haben. Das nächste Ziel war nun das Wat Pha That Chom Jeng. Auch hier beteten wir am Chedi und Chamnan fungierte wieder als ‚Sockelbefeuchter’ mit Duftwasser. Zwischenstation machten wir anschließend beim ‚Gedenkwat’, der dem König Naresuan gewidmet ist. Ich schrieb bereits auf der vorletzten Seite, als ich in Ayutthaya war, über die Hintergründe der Hähne, die als warnendes Heer und symbolische Gefolgschaft im Zusammenhang mit König Naresuan aufgestellt werden. Hier richtet sich das Wat und die Hähne eindeutig gegen die benachbarte Grenze zu Myanmar, dem Widersacher der Vergangenheit, der häufig das Land überfallen hat, und damals beim Kampf um die Stadt Ayutthaya vom siamesischen Heer unter Leitung des Königs Naresuan in die Flucht geschlagen werden konnte.
Kopkun zwischen den Hähnen zu Ehren des Königs Naresuan am 14.04.09
Bei unserem übernächsten Stopp – nachdem wir auch den Wat Pha That Chom Jeng besucht hatten - wurde mir nun endlich klar, was es mit der Tour auf sich hatte, und welchen Umfang sie haben wird. Auf dem Gelände des Wat Phra That Chom Foa war eine Metalltafel aufgestellt, die Stationen der Fahrt, die wir unternahmen, kennzeichnen.
Die braunen Dreiecke auf der Tafel von 1 bis 9 kennzeichnen die Wat Phra That. Wir sind nicht ganz der Reihenfolge der Zahlen gefahren, haben aber alle neun Wats an diesem ersten Tag im neuen Jahr besucht.
Ich erfuhr nun bei der Weiterfahrt zum nächsten Ziel des Wat Phra That Chom Wae bei der Stadt Phan gelegen, dass wir lauter Wat mit Chedi besuchen, um den Reliquien – die beigesetzten Gebeine Buddhas - durch das Beträufeln der jeweiligen Sockel der Chedi zu huldigen. (Buddha muss auch körperlich eine beträchtliche Größe gehabt haben, bei der Menge an Reliquien, die es überall gibt.)
Am Chedi des Wat gab es neben einem recht feminin wirkenden stehenden riesigen Buddha, der schon kilometerweit vorher zu sehen ist, einen Chedi der mittels eines Flaschenzuges - mit Kippvorrichtung – der bis fast zur Spitze des Bauwerks reicht, ein Beträufeln des glockenartigen Gebäudes ermöglicht.
Beträufeln des Chedi von Wat Phra That Chom Wae (bei Phan) mittels eines Flaschenzuges und eines zusätzlichen Seiles, um an der Spitze den Eimer mit dem duftenden Wasser zu leeren (14.04.09)