HELMUT RIELÄNDER | ||
Familien-Kultur
Als ich vor über drei Jahren – nach meiner ersten Berührung vor über acht Jahren mit der thailändischen ‚Familien-Kultur’ bei Walters und Maews Hochzeit in Nordthailand – zum ersten Mal in die Verwandtschaft von Rei eingeführt wurde, war mir noch nicht klar, auf was ich mich da eingelassen hatte?!
Es war Ostern vor drei Jahren. Von Heinz und Liw, die mich in Bremen mehrfach besucht hatten, war ich in das kleine Heimatdorf von Liw im Nordosten des Königsreiches eingeladen worden. Ich nahm die Einladung freudig an.
Am Abend meiner Ankunft wurde bei den Eltern von Liw ein großes Essen veranstaltet. Ich sollte bei dieser Gelegenheit auch gleich einmal mit Liws Kusine Rei bekannt gemacht werden. Die weitere Entwicklung ist bekannt.
Rei hat mich nach unserem Kennenlernen drei Mal in Bremen besucht und ich war seitdem ebenfalls drei Mal in Thailand bei ihr zu Besuch. Nun bin ich seit über vierzehn Monaten ununterbrochen hier. Was ich in dieser Zeit erlebt habe, ist den 14 SOAN-Seiten zuvor zu entnehmen.
Der Himmel über Ban Phue .... typisch für die Gegenden hier im Nordosten Thailands.
(Die Bilder sind alle in den letzten vier Wochen bei auf- oder abziehendem Monsunregenhimmel entstanden. Sie stehen nicht im direkten Zusammenhang zum Text, geben aber die Stimmungen im Isaan in dieser Jahreszeit gut wieder. Auch sollen sie die ‚Bleiwüsten’ etwas auflockern.)
Die Familien sorgen sehr für das Wohlergehen der Anverwandten. Wenn jemand – meist sind es die jungen Frauen – einen meist älteren ‚Westler’ (‚Farang’) kennengelernt hat, kann es durchaus sein, dass auch andere Schwestern diesem ‚Vorbild’ folgen.
Auch um entferntere Familienmitglieder ‚kümmert’ man sich – zum Beispiel um eine Kusine – und sorgt füreinander, indem man einen Farang einlädt und mit ihr zusammenbringt.
Dies führt in der Regel dazu, dass sich die kärglichen Lebensverhältnisse der einfachen Reis- und Zuckerbauern enorm verbessern.
Ein Farang in der Familie erhöht nicht nur das Prestige, sondern sorgt insbesondere auch für ein besseres Auskommen. Farang werden grundsätzlich als reich eingestuft und es gilt als normal, sie jederzeit um Geld zu bitten. Sie gelten hier als wandelnde ATM (automated teller machines = Geldautomaten). Menschen, die sich ein Flugticket leisten können, für das ein Reisbauer hierzulande durchschnittlich vier Monate zu arbeiten hätte, müssen reich sein?! Es ist den Thais häufig nicht bekannt, dass viele Farang (junge Leute/ Studenten, aber auch Rentner) sich das Flugticket nach Thailand ‚vom Munde absparen’ müssen (einen Begriff, den man in Thailand weder praktiziert noch kennt).
Thailand ist von üppiger Natur. Vieles, was man zur einfachen täglichen Ernährung braucht, kann umsonst gesammelt oder gefangen werden. Früchte, Gemüse, Fische (und anderes Getier, wie Frösche, Schnecken und Schlangen), Muscheln, Garnelen, Kräuter und Gewürze bereichern die tägliche Küche – fast paradiesische Verhältnisse! Einzig die Reiswirtschaft – hier im Nordosten Nassreis (khao niao) – bereitet zwei Mal pro Anbau intensive Arbeit: bei der Anpflanzung und der Ernte.
Mühsames Planieren und Anlegen eines Nassreisfeldes
Dabei hilft die ganze Familie, unterstützt durch bezahlte Landarbeiter, meist Mitbewohner des Dorfes. Der Verdienst der Landarbeiter beträgt ca. 300 Thaibath (knapp 8 €) am Tag für 8 bis 10 Stunden schwerster Arbeit. Dasselbe verdienen auch Zuckerohr-, Gummi- und Palmölerntearbeiter.
Das verdiente Geld gibt man aus, sobald es eingenommen worden ist! Arbeiten zum Leben, nicht umgekehrt! Alles andere wäre kiniau, geizig, knauserig. (So werden insbesondere die Deutschen unter den Farangs in Thailand eingeschätzt. Ausnahmen bestätigen die Regel!)